8. Die Davidsregierung Gottes
Christus ist auf den Wolken wiedergekommen. Er hat Seine Feinde, die gegen Ihn versammelt waren, vernichtet und die Seinen erlöst. Er hat den bedrängten Überrest befreit und die gestorbenen Heiligen auferweckt. Das ist der Beginn des Tausendjährigen Reiches. Das bedeutet aber nicht, daß jetzt unmittelbar Friede und Gerechtigkeit auf der Erde sein werden. Die Heere des Tieres und des falschen Propheten und die Heere des Assyrers sind nicht die einzigen Feinde, die Christus schlagen muß. Noch viele andere Mächte stehen einer Friedensherrschaft im Weg, und die vollkommene Ruhe kann erst eintreten, wenn diese Feinde ebenfalls geschlagen sind. Anders ausgedrückt: bevor der Herr Jesus als Salomo, der Friedefürst, regieren kann, muß Er zuerst noch eine geraume Zeit als David regieren: David war zwar als König in Zion bestätigt, mußte aber bis zum Ende kämpfen, vor allem gegen die Feinde, die sich im eigenen Land aufhielten: die Philister (2. Sam 21). David und Salomo zusammen sind ein Vorbild von der Regierung Christi. In David sehen wir den Mann nach dem Herzen Gottes, der anfänglich von dem König nach dem Willen des Menschen verworfen und bedrängt wird. Saul ist ein Bild des „Menschen der Sünde“, des Antichristen. Dieser König verfolgt mit seinen Untergebenen den, der zum König über Israel gesalbt war und dessen Gefolgsleute, die Ausgestoßenen des Volkes. Doch dieser verworfene König ist es, der das Volk aus den Händen des Gewaltmenschen Goliath (ein Bild Satans) erlöst. Nachdem der gottlose Fürst gefallen ist, wird David zunächst nur über Hebron König. Aber nachdem das ganze Haus Sauls geschlagen ist, wird er König über alle zwölf Stämme. So wird auch Christus, anfänglich verworfen (und mit Ihm Seine Treuen, der Überrest der Zukunft), König über Israel werden; zunächst nur über zwei Stämme, d. h. über den Überrest der zwei Stämme, den Er erlöst hat, aber später wird Er dann ‑ wie wir sehen werden ‑ auch den Überrest der zehn Stämme in das Land Israel zurückkehren lassen und sie zu einem Volk machen. Danach muß der Kampf gegen die übriggebliebenen Feinde aufgenommen werden. „Denn er muß herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat“ (l. Kor 15, 25); der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod (Vers 26), und das wird erst nach dem Friedensreich geschehen. Wir sehen also, daß im Tausendjährigen Reich nur bis zu einem gewissen Grad wirklich Friede da sein wird: es ist ein Friede, der durch die Unterwerfung der Feinde zustandekommt. Doch diese Unterwerfung geschieht mit „Schmeichelei“ (Ps 18, 44. 45; 66. 1‑3), und das wird am Ende der tausend Jahre deutlich, wenn sie erneut gegen Christus heraufziehen werden (Offb 20, 7‑9). Es ist also ein erzwungener Friede. Auf der neuen Erde wird Gerechtigkeit wohnen (2. Petr 3, 13), im Tausendjährigen Reich aber wird die Gerechtigkeit unter Zwang aufrechterhalten (Jes 9, 7; 32, 1; siehe Psalm 101, 6‑8).
König über Zion
Eins der wichtigsten Ereignisse im Leben Davids war, daß er die Bundeslade zum Berg Zion brachte, in das von ihm eroberte Jerusalem. Ja, dieser Berg war von Gott auserwählt; dort wollte Gott Seinen Namen wohnen lassen (Ps 78, 68‑72). Es ist der Berg, der von der Gnade spricht, im Gegensatz zum Berg Sinai, dem Berg der Gesetzgebung; das sehen wir deutlich in Hebräer 12, 18‑22a. Auf dem Berg Sinai gab Gott dem Volk ein Gesetz, das lediglich bewies, daß das Volk sündig war und Strafe verdiente; aber Zion ist der Berg, wohin die Bundeslade gestellt ist, die Lade mit dem Sühndeckel, das ist jetzt der „Gnadenthron“
(Röm 3, 20‑25; vgl. Hebr 4, 16). Den Tempel darf David nicht bauen, das kann nur der Friedefürst nach ihm tun; aber grundsätzlich werden die Beziehungen zwischen dem Volk und Gott schon dadurch enger, daß die Bundeslade auf die Grundlage der Gnade gestellt wird. Das geschieht, als es noch viele Feinde gibt, der Segen noch nicht völlig da ist und auch noch kein Haus für Gott gebaut ist. Das geschieht im Glauben an die Verheißung Gottes (Ps 132). Wie wunderschön spricht das alles von Christus. Er ist die Bundeslade, der „Gnadenthron“ (Röm 3, 25; vgl. Hebr 9, 5). Er ist als König über Zion gestellt, den heiligen Berg Gottes (Ps 2, 6; vgl. Ps 132, 11‑18). Bevor David die Lade nach Zion brachte, hatte Gott keine Wohnung mehr in Israel, seit Silo verworfen war (Ps 78, 59‑62), und im Vorbild hatten „die Zeiten der Nationen“ begonnen, als die Philister die Bundeslade erbeuteten. Aber das Aufstellen der Lade in Zion machte dem ein Ende; so wird Christus Seine Königsherrschaft in Zion errichten und dadurch den Zeiten der Nationen ein Ende machen. Wenn dann auch noch lange nicht alle Seine Feinde geschlagen sind und somit der Segen des Friedensreiches noch nicht angebrochen ist, wird Er doch Seine Herrschaft in Zion errichten, in einer gnädigen Verbindung mit Seinem Volk, das Er erlöst hat. Das ist die wunderschöne Szene in Offenbarung 14, wo das Lamm auf dem Berg Zion steht und mit Ihm hundertvierundvierzigtausend; das ist der gläubige Überrest aus Juda, der wie sein Messias gelitten hat, aber jetzt Seine Herrlichkeit teilt. So ist es früher mit denen geschehen, die die Verwerfung Davids geteilt haben.
In Gnade und Herrlichkeit thront Christus in Zion, zusammen mit Seinen Treuen. Jetzt beginnt der Kampf gegen die, die danach trachten, der Gründung des Segens zu widerstehen. Psalm 110 sagt: Jahwe sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße! Den Stab deiner Macht wird Jahwe aus Zion senden; herrsche inmitten deiner Feinde!“, und weiter sehen wir dann, wie die jungen Männer des Volkes des Königs (vgl. Ps 127, 3‑5) ausziehen, um den Feind zu schlagen, im besonderen „das Haupt über ein großes Land“ (Ps 110, 6), das ist Gog, über den wir noch sprechen werden. Im Vertrauen auf ihren König, der in Zion regiert, nehmen sie den Kampf auf. „Die auf Jahwe vertrauen, sind gleich dem Berge Zion, der nicht wankt, der ewiglich bleibt. Jerusalem ‑ Berge sind rings um sie her: so ist Jahwe rings um sein Volk, von nun an bis in Ewigkeit. Denn die Rute der Gesetzlosigkeit [das bezieht sich auf den Antichristen und den Assyrer] wird auf dem Lose der Gerechten nicht ruhen, damit die Gerechten ihre Hände nicht ausstrecken nach Unrecht“ (Ps 125, 1‑3). „Mögen beschämt werden und zurückweichen alle, die Zion hassen! Mögen sie sein wie das Gras der Dächer, welches verdorrt, ehe man es ausrauft“ (Ps 129, 5. 6; auch das bezieht sich wieder auf den Assyrer, siehe als Beweis Jes 37, 22. 27).
Die Rückkehr der Zerstreuten nach Zion
Es wird eine der ersten Regierungshandlungen Christi sein, alle Auserwählten Israels, sowohl aus den zwei wie aus den zehn Stämmen, die sich noch unter den Völkern aufhalten, in ihr Land zurückzubringen, und insbesondere zum Berg Zion, wo Seine Gnade und Seine Herrlichkeit sich niedergelassen haben. Wie wir wissen, kehren von zwei Stämmen bereits viele vor der Wiederkunft Christi zurück, und zwar im Unglauben, um dort dem Gericht entgegenzugehen, aus dem ein kleiner Überrest errettet wird. Die übrigen, die sich noch unter den Nationen befinden, kehren nach Seiner Wiederkunft zurück. Auch die Auserwählten aus den zehn Stämmen, die jetzt noch verschollen sind, werden von Gott zurückgebracht werden. Einige Stellen sprechen deutlich von dieser zweifachen Rückkehr, sowohl der zwei als auch der zehn Stämme.
„Und er wird den Nationen ein Panier erheben und die Vertriebenen ISRAELS zusammenbringen, und die Zerstreuten JUDAS wird er sammeln von den vier Enden der Erde“ (Jes 11, 12).
„In jenen Tagen wird das Haus JUDA mit dem Hause ISRAEL ziehen, und sie werden miteinander aus dem Lande des Nordens in das Land kommen, welches ich euren Vätern zum Erbteil gegeben habe“ (Jer 3, 18).
„Denn siehe, Tage kommen, spricht Jahwe, da ich die Gefangenschaft meines Volkes ISRAEL und JUDA wenden werde, spricht Jahwe; und ich werde sie in das Land zurückbringen, welches ich ihren Vätern gegeben habe, damit sie es besitzen“ (Jer 30, 3).
„Und ich werde das Haus JUDA stärken und das Haus JOSEPH retten, und werde sie wohnen lassen; denn ich habe mich ihrer erbarmt“ (Sach 10, 6).
Die besondere Verbindung zwischen diesen Zurückgeführten und dem Berg Zion finden wir an verschiedenen Stellen: „In jener Zeit wird Jahwe der Heerscharen ein Geschenk dargebracht werden: ein Volk, das weithin geschleppt und gerupft ist … nach der Stätte des Namens Jahwes der Heerscharen, nach dem Berge Zion“ (Jes 18, 7).
„Und die Befreiten Jahwes werden zurückkehren und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen“ (Jes 35, 10).
„Höret das Wort Jahwes . . . : Der Israel zerstreut hat, wird es wieder sammeln und es hüten wie ein Hirt seine Herde. Denn Jahwe hat Jakob losgekauft und hat ihn erlöst aus der Hand dessen, der stärker war als er. Und sie werden kommen und jubeln auf der Höhe Zions, und herbeiströmen zu den Gütern Jahwe“ (Jer 31, 10‑12).
In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht Jahwe, werden die Kinder ISRAEL kommen, sie und die Kinder JUDA zusammen; fort und fort weinend werden sie gehen und Jahwe, ihren Gott, suchen. Sie werden nach Zion fragen, indem ihr Angesicht dahin gerichtet ist: Kommet und schließet euch an Jahwe an mit einem ewigen Bunde, der nicht vergessen werde!“ (Jer 50, 4. 5)
Besondere prophetische Bedeutung in diesem Zusammenhang hat der Ausdruck, den wir soeben schon aus Jeremia 30, 3 angeführt haben, nämlich: „die Gefangenschaft wenden“ (Schub Schebut); dieser Ausdruck hat meistens Bezug auf die Beendigung der Gefangenschaft oder der Unterdrückung des Volkes Israel, einige Male auch auf die Öde des Landes Israel (Jer 33, 11; vgl. 30, 18). In den folgenden Schriftstellen bezieht sich dieser Ausdruck auf Israel: 5. Mo 30, 3; Ps 85, 2; Jer 29, 14; 31, 23; 32, 44; 33, 7. 26; Hes 16, 53; Hos 6, 11; Joel 3, 1; Amos 9, 14; Zeph 2, 7; 3, 20. Als Gebet für Israel wird es mit dem Ort in Verbindung gebracht, von dem stets Gnade und Erlösung kommen: Zion! „0 daß aus Zion die Rettung Israels da wäre! Wenn Jahwe die Gefangenschaft seines Volkes wendet, soll Jakob frohlocken, Israel sich freuen“ (Ps 14, 7; vgl. 53, 6). „Als Jahwe die Gefangenen Zions zurückführte, waren wir wie Träumende . . . Führe unsere Gefangenen zurück, Jahwe, gleich Bächen im Mittagslande“ (Ps 126, 1‑4). In diesem letzten Psalm sehen wir, daß sich dieser Ausdruck auf die vollständige Wiederherstellung des Segens in Verbindung mit Zion bezieht, aber auch auf die Rückkehr der Gefangenen. Die Verse 1‑3 sprechen von denen, die schon in Verbindung mit Zion sind: der erlöste Überrest aus Juda, der wegen seiner Befreiung jubelt; Vers 4 spricht von denen, die noch zurückkehren müssen, damit das Volk Israel vollzählig wird, nämlich die Auserwählten aus den zehn Stämmen. Darüber wollen wir jetzt etwas ausführlicher sprechen.
Der Zeitpunkt der Rückkehr der zehn Stämme
Wegen ihren großen Sünden gegen Jahwe wurde die Hauptstadt des Zehnstämmereiches, Samaria, 721 v. Chr. von König Sargon 11. von Assyrien erobert, der fast alle Bewohner des Reiches nach Assur verschleppen ließ (2. Kön 17). Dort wurden die Israeliten in die Bevölkerung aufgenommen, und seitdem sind sie spurlos verschwunden, zumindest für das Auge des Menschen. Aber Gott wird sie zu finden wissen, und der Segen des Friedensreiches wird erst vollkommen sein, wenn auch diese Verlorenen des Hauses Israel wieder ins Land zurückgebracht sind. Sehr viele Schriftstellen sagen deutlich voraus, daß das geschehen wird. Offenbarung 7 zeigt uns, daß aus jedem Stamm Israels ein Überrest versiegelt wird, um der Herrlichkeit teilhaftig zu werden (nur Dan wird dort nicht genannt; darüber haben wir bereits gesprochen). „Siehe, Tage kommen, spricht Jahwe, da ich dem David einen gerechten Sproß erwekken werde … In seinen Tagen wird JUDA gerettet werden und ISRAEL in Sicherheit wohnen“ (Jer 23, 5. 6). „In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht Jahwe, wird ISRAELS Missetat gesucht werden, und sie wird nicht da sein, und die Sünden JUDAS, und sie werden nicht gefunden werden; denn ich will denen vergeben, die ich übriglasse“ (Jer 50, 20). Siehe dazu noch: Ps 80; Hes 28, 25. 26; 34, 11‑16; 39, 25‑29; Micha 2, 12; Nahum 2, 2. Aus Jesaja 11 wird ersichtlich, daß diese Rückkehr der zehn Stämme nach dem Wiederkommen des Herrn stattfinden wird; die Verse 1‑10 beschreiben die Errichtung des Friedensreiches und die Einsetzung des Königtums (Vers 10), danach lesen wir von der Rückkehr der Vertriebenen aus Israel. Aus vielen Schriftstellen, die wir noch zitieren werden, geht ebenfalls diese Reihenfolge hervor: die Errichtung des Friedensreiches, danach die Rückkehr der Auserwählten der zehn Stämme. Das stimmt mit dem überein, was wir im Vorbild in Psalm 73 finden. Dieser Psalm ist der erste Psalm des dritten Psalmbuches, das im wesentlichen von dem Überrest aus Israel handelt; es geht nicht mehr allein um Judäa und Jerusalem, wie in den ersten beiden Psalmbüchern, sondern um das ganze Volk, alle zwölf Stämme, vom Beginn ihrer Geschichte an gesehen (siehe vor allem Psalm 78), und in ihrem Verhältnis zur Heiligkeit und dem Heiligtum Gottes. Psalm 73 gibt hiervon eine kurze Übersicht: ungeachtet der zeitweiligen Wohlfahrt der Gottlosen, bleibt Gott „Israel“ gut, und der Glaube sagt, daß die Treuen einmal wieder von Gott angenommen werden. Man muß Vers 24 gut verstehen: „Durch deinen Rat wirst du mich leiten, und nach der Herrlichkeit wirst du mich aufnehmen“, das ist die genaue Übersetzung. Das hat nichts mit der Aufnahme in die Herrlichkeit im Himmel zu tun (dieser Gedanke ist im A. T. unbekannt), sondern mit der Annahme des ganzen Volkes Israel nach der Herrlichkeit, das heißt: nach der Wiederkunft Christi. Daß der Ausdruck „nach der Herrlichkeit“ (achar kabod) das tatsächlich bedeutet, geht aus der einzigen anderen Stelle hervor, wo dieser Ausdruck noch vorkommt, nämlich Sacharja 2, 8: „Denn so spricht Jahwe der Heerscharen: Nach der Herrlichkeit hat er mich zu den Nationen gesandt, die euch geplündert haben“. Aus dem Zusammenhang ist deutlich, daß es auch hier um das Versammeln der Vertriebenen Israels nach der Wiederkunft Christi geht (vgl. Mt 24, 30. 31).
Wie kehrt der Überrest der zehn Stämme zurück?
Von vielen Orten der Erde werden die Auserwählten der zehn Stämme zurückkehren. Einige Stellen sagen sogar, daß sie „aus allen Nationen“ kommen: Jes 11, 12; 66, 20. 21; Hes 20, 34. Des „Meeres Fülle“ (Jes 60, 5) wird sich nach Zion wenden (möglicherweise ist das „Meer“ hier eine bildliche Darstellung der Nationen, siehe Jes 17, 12; Offb 17, 15; vgl. Sach 10, 11); „der Reichtum der Nationen“: Midian, Epha, Scheba, Kedar, Nebajoth und die Inseln des Mittelmeeres (Jes 60, 1‑9). Besonders werden in der Schrift aufgeführt: Ägypten, Assur und Äthiopien. „Die Vertriebenen im Lande ÄGYPTEN werden kommen“ (Jes 27, 13); sie werden daraus losgekauft und die Meereszunge Ägyptens wird zerstört werden (Jes 11, 11‑15); „alle Tiefen des Stromes [Nil] werden versiegen“, um sie hindurchzulassen (Sach 10, 10. 11); wie Vögel werden sie aus Ägypten kommen (Hos 11, 11). „Die Verlorenen im Lande Assyrien“ werden zurückkehren (Jes 27, 13; 11, 11. 16), sie werden aus Assur gesammelt (Sach 10, 10. 11). Wie Tauben kommen sie aus Assur (Hos 11, 11). Von jenseits der Ströme ÄTHIOPIENS (sowohl der Nil als auch der Euphrat) (l. Mo 10, 6‑12) werden sie zurückgebracht werden (Jes 11, 11. 15; 18, 1. 2. 7; 27, 12; Zeph 3, 10). Ferner werden sie aus dem Land der Chinesen zurückkehren (Jes 49, 12), aus Pathros, Elam, Sinear, Hamath und den Inseln des Meeres (Jes 11, 11), aus dem Norden (Jes 43, 1‑8; 49, 12; Jer 3, 18; 23, 8; 31, 8), aus dem Westen (Jes 43, 1‑8; 49, 12; Hos 11, 11), aus dem Süden und aus dem Osten (Jes 43, 1‑8).
Die Schiffe von Tarsis werden die ersten sein, die sie zurückbringen (Jes 60, 9), die Nationen werden sie als ein Geschenk in das Land Israel bringen (Jes 14, 1. 2; 43, 1‑8; 49, 8‑12. 22; Zeph 3, 10), und die Auserwählten unter ihnen werden von Engeln gesammelt (Mt 24, 31; Mk 13, 27). Nicht nur diejenigen, die zum Haus Israel gehören, werden in das Land kommen. Gott wird sie in die Wüste bringen und zu ihrem Herzen reden (Hos 2, 14. 15); wenn sie in der „Wüste der Völker“ gesammelt sind, wird Gott dort mit ihnen ins Gericht gehen. Er wird die Empörer und die von Ihm Abgefallenen aus ihnen ausscheiden (Hes 20, 30‑44, möglicherweise hat „Wüste“ hier ebenfalls eine sinnbildliche Bedeutung wie „Meer“ ‑ siehe oben ‑ vgl. dazu Offb 17, 3a). Wie „Getreide“ werden die Kinder Israel ausgeschlagen „von der Strömung des Euphrat bis zum Bache Ägyptens“ (Jes 27, 12. 13). Nur die Auserwählten (Mt 24, 31), diejenigen, die das Siegel des lebendigen Gottes an ihren Stirnen tragen (Offb 7, 3‑8), werden in das Land kommen und da in Frieden, Sicherheit und Freude wohnen (Jes 35, 3‑10; Jer 23, 6; 31, 1‑14; Hes 28, 25. 26; 34, 11‑16). Ihre Ungerechtigkeiten werden gesühnt werden (Jer 50, 19. 20). Und was sehr wichtig ist: sie werden mit dem Haus Juda zu einem Volk Israel vereinigt werden! (Jer 3, 18). Sie werden sich zusammenscharen und ein Haupt über sich setzen (Hos 1, 10. 11). Das wird ausführlich in Hesekiel 37, 15‑28 beschrieben: die Israeliten werden aus den Nationen gesammelt und in ihr Land gebracht, und da werden sie zu einem Volk gemacht, das nie wieder getrennt wird; auch wird ein König über sie herrschen aus dem Geschlecht Davids (hier wird Er sogar „David“ genannt), und Gott wird mit ihnen einen Bund des Friedens schließen.
Das vereinigte Volk, das wahre Israel, wird Gott als Sein Volk annehmen, und sie werden „Kinder des lebendigen Gottes“ genannt werden (Hos 1, 10). Gott wird die Wiedergeburt Seines Volkes bewirken, ihnen ein neues Herz in ihr Inneres geben und Seinen Geist über sie ausgießen (Jes 32, 15; 44, 1‑5; Hes 11, 17‑20; 36, 24‑28; Joel 2, 28. 29). Aus diesen Schriftstellen geht ebenfalls hervor, daß diese Wiedergeburt die Reinigung des Volkes beinhaltet: ihre Ungerechtigkeiten werden gesühnt, ihre Sünden abgewaschen, ihre Wunden geheilt. Gott wird sie mit Gerechtigkeit bekleiden und für ewig Seinen Zorn von ihnen abwenden; für ewig werden sie Sein Volk, und Er wird ihr Gott sein (Jes 27, 9; 33, 24; 40, 2; 44, 22; 54, 7; 57, 15. 16; 60, 10. 21; 61, 10; Jer 33, 8; 50, 20; Dan 9, 24; Hos 14, 2‑9; Joel 3, 21; Micha 7, 18‑20; Sach 3, 9; 13, 1. 9; Röm 11, 26‑32). Aller Götzendienst wird aus dem Lande fortgeschafft werden (Jes 27, 9; 42, 13‑17; Hos 2, 16; 14, 4; Micha 5, 12. 13; Sach 13, 2). Gott wird mit ihnen einen ewigen Bund des Friedens schließen, der nie wieder gebrochen wird (Jer 31, 31‑34; 32, 40; 50, 4; Hes 16, 59‑63; 34, 25; 37, 26). Diesen Stellen könnten noch viele aus den Psalmen hinzugefügt werden.
Der Kampf gegen die Nachbarvölker
Nachdem das Volk Israel ins Land zurückgekehrt ist und sich unter seinem Messias vereinigt hat, wird es unter Seiner Führung den Kampf gegen die umliegenden Völker aufnehmen, die der Errichtung des Friedensreiches noch im Wege stehen. Das sind hauptsächlich die beiden Völker Ägypten und Edom. Allen Völkern, unter die Gott Israel zerstreut hatte, wird Er den Garaus machen (Jer 30, 11. 16); Er wird in Zorn und in Grimm Rache üben an den Völkern, die nicht gehört haben (Micha 5, 14). „An jenem Tage werde ich die Fürsten von Juda machen gleich einem Feuerbecken unter Holzstücken und gleich einer Feuerfackel unter Garben; und sie werden zur Rechten und zur Linken alle Völker ringsum verzehren. Und fortan wird Jerusalem an seiner Stätte wohnen in Jerusalem“ (Sach 12, 6). Nach dem Zusammenhang bezieht sich diese Stelle in erster Linie auf das Schlagen des Assyrers nach der zweiten Belagerung Jerusalems, aber es gibt darüber hinaus eine weitere Anwendung, die sich auf alle Völker rundherum erstreckt. Wie Jahwe zu Jeremia gesagt hat: „So spricht Jahwe über alle meine bösen Nachbarn, welche das Erbteil antasten, das ich mein Volk Israel habe erben lassen: Siehe, ich werde sie aus ihrem Lande herausreißen, und das Haus Juda werde ich aus ihrer Mitte reißen. Und es soll geschehen, nachdem ich sie herausgerissen habe, werde ich mich ihrer wieder erbarmen und sie zurückbringen, einen jeden in sein Erbteil und einen jeden in sein Land. Und es soll geschehen, wenn sie die Wege meines Volkes wirklich lernen, so daß sie bei meinem Namen schwören: So wahr Jahwe lebt! gleichwie sie mein Volk gelehrt haben, bei dem Baal zu schwören, so sollen sie inmitten meines Volkes aufgebaut werden. Wenn sie aber nicht hören, so werde ich selbige Nation ausreißen, ausreißen und vertilgen, spricht Jahwe“ (Jer 12, 14‑17).
Diese Schriftstelle enthält wichtige Grundsätze: Gott wird sowohl mit Juda als auch mit den Nationen um Juda her handeln; beide werden wegen ihrer Sünden aus ihren Ländern herausgerissen, aber nach Verlauf einer Zeit wird Er nicht nur Juda in dessen Land wiederherstellen, sondern auch dessen Nachbarvölker. Davon spricht der Herr Jesus: „Sehet den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie schon ausschlagen, so erkennet ihr von selbst, indem ihr es sehet, daß der Sommer schon nahe ist. So auch ihr, wenn ihr dies geschehen sehet, erkennet, daß das Reich Gottes nahe ist“ (Lk 21, 29‑31). Nicht nur Israel ist „ausgeschlagen“, sondern auch seine Nachbarvölker sind wiederhergestellt. Aber was sagt Jahwe dann? Es wird für diese wiederhergestellten Völker nur eine Zukunft geben, wenn sie sich an die Wege des Volkes Gottes gewöhnen.
Das Gericht über die Nachbarvölker
Ob und wie das geschehen wird, ist im weiteren Verlauf des Buches Jeremia dargelegt, nämlich im dritten Teil des Buches (Kap. 46‑51), wo wir die Gerichte über diese Völker finden. Diese Gerichte haben dort eine doppelte Bedeutung: zunächst haben sie nämlich schon eine geschichtliche Erfüllung gefunden durch die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel, aber aus vielen Punkten geht hervor, daß ihre eigentliche und endgültige Erfüllung (wie es ja nahezu allen anderen Prophezeiungen ist) noch in der Zukunft liegt. Die große Hauptlinie, die durch diese Kapitel läuft, ist nämlich, daß zuerst alle genannten Reiche dem babylonischen Weltreich Platz machen müssen, aber danach wird auch Babel selbst verwüstet (und das für immer); darauf folgt die Wiederherstellung Israels (50, 4‑7. 19. 20. 33‑40), aber auch die Wiederherstellung bestimmter Reiche (46, 26; 48, 47; 49, 6. 39). Israel wird der Hammer sein, mit dem Gott die Nationen züchtigen wird, aber Babel wird Er Selbst vernichten (51, 20‑26). Alle diese Ereignisse weisen auf die Endzeit hin: Babel wird, geistlich gesehen, seinen letzten Repräsentanten in dem großen Babylon der Offenbarung haben (vgl. Jer 51, 25. 26. 47‑53 mit Offb 17‑19, 3), und, politisch gesehen, in dem letzten Haupt der Weltreiche: dem Tier (Offb 13, 1‑10). Und alle Nachbarvölker Israels werden ebenfalls wieder eine Rolle spielen. Wie gesagt, einige von ihnen werden später wiederhergestellt, andere jedoch nicht. Philistäa, Edom, Damaskus und Hazor werden völlig vernichtet werden, weil sie zum Hoheitsgebiet Israels gehören; dagegen werden Ägypten, Moab, Ammon und Elam, nachdem sie von Gott durch die Hand Israels gerichtet sind, wiederhergestellt werden und an den Segnungen des Friedensreiches unter der Herrschaft Christi teilhaben. Wir wollen jede einzelne der Nationen kurz behandeln und zunächst die Völker nennen, die wiederhergestellt werden. Was ÄGYPTEN betrifft, so haben wir in Daniel 11, 40‑45 gesehen, daß es von dem Assyrer geplündert werden wird; danach kehrt der Assyrer nach Palästina zurück. Etwas Ähnliches (einen Angriff einer Macht aus dem Norden) finden wir auch in Jesaja 19 und 20 und in Jeremia 46, 20. Daß Gott Selbst das Gericht vollziehen wird, finden wir darüber hinaus noch in Jes 30 und 31; Hes 29‑32; Joel 3, 19; Jes 11, 15; Jer 9, 26; Sach 10, 11. Danach wird Ägypten wiederhergestellt werden und ein Segen sein inmitten der Erde, zusammen mit dem wiederhergestellten Assur und Israel (Jes 19, 19‑25; Jer 46, 25. 26; vgl. Micha 7, 12), vorausgesetzt, daß es jedes Jahr hinaufzieht, um das Laubhüttenfest zu feiern (Sach 14, 18. 19).
Auch MOAB wird durch Israel sein Gericht empfangen. Das geht hervor aus Jes 11, 14; Jes 15 und 16 (man denke auch an die historische Erfüllung ‑ siehe Amos 2, 1‑3); Jes 25, 10‑12; Jer 9, 26; Hes 25, 8‑11; Zeph 2, 8. 9; ja, der Messias Selbst wird sie züchtigen (Ps 60, 8; 108, 9), aber danach wird es eine Wiederherstellung geben (Jer 48, 47). Dem „Brudervolk“ Ammon wird es ebenso ergehen: zuerst Gericht (Jes 11, 14; Jer 9, 26; Hes 25, 1‑7; Amos 1, 13‑15; Zeph 2, 8. 9), danach Wiederherstellung (Jer 49, 6). Über Elam finden wir einige Hinweise in Jer 25, 25; 49, 34‑39 und Hes 32, 24.
Ähnliche Gerichte, ohne Wiederherstellung, werden in bezug auf viele andere Nachbarvölker erwähnt. Beispielsweise über TYRUS und SIDON in Jes 23; Hes 26‑28; Joel 3, 4 und Amos 1, 9. 10 (siehe auch Jer 25, 22; 47, 4 und Sach 9, 2. 3). Was ÄTHIOPIEN betrifft, siehe Jes 20, 3‑5; Hes 30, 4. 5. 9 und Zeph 2, 12.
So bleiben die vier Völker übrig, über die Jeremia den völligen Untergang vorausgesagt hat. Erstens DAMASKUS (das Volk ARAM), siehe 49, 23‑27, und weiter Jes 17, 1‑3; Amos 1, 3‑5 und vgl. Sach 9, 1; vergleiche weiterhin die historische Erfüllung in 2. Kön 16, 9. Zweitens KEDAR und HAZOR im Land ARABIEN, siehe Jer 49, 28‑33, und weiter Jes 21, 13‑17 und Jer 25, 24. Sehr ausführlich spricht die Schrift von dem Gericht über die PHILISTER, im besonderen über ihre vier Städte Askalon, Asdod, Ekron und Gasa. Die Philister sind von alters her die großen Feinde des Volkes Gottes, Feinde, die so gefährlich sind, weil sie mehr als irgendein anderes Volk auf dem Gebiet Israels wohnen und ihr verderblicher Einfluß mehr zu fürchten ist als der aller anderen Völker. Abraham und Isaak hatten schon mit ihnen zu schaffen, als sie im Land der Verheißung waren (l. Mo 20 und 26); sie sind Eindringlinge in (lern Land, das den Auserwählten Gottes gehört (Jos 13, 2; 2. Mo 23, 31), und es sind auch die ersten Feinde, mit denen David, als Vorbild von Christus, zu tun bekam (2. Sam 3, 18; 5, 17‑25; 8, 1; 19, 9; vor seinem Königtum: 1. Sam 17; 18, 6 usw.). Schon oft hat Philistäa das Gericht Gottes erfahren müssen: unter Hiskia (2. Kön 18, 8; Jes 14, 28‑31; Amos 1, 6‑8), durch Pharao (Jer 47, 1), durch Nebukadnezar (Zeph 2, 4‑7; Hes 25, 15‑17; Jer 25, 20) und durch Alexander den Großen (Sach 9, 5‑8), aber all die Einzelheiten dieser Prophezeiungen kann man nur begreifen, wenn man weiß, daß die endgültige Erfüllung noch aussteht (siehe vor allem Zeph 2, 7 und Sach 9, 5‑8). Christus Selbst wird am Ende der Tage den Becher Zornwein allen Königen des Landes der Philister geben (Jer 25, 15. 20), und Er wird die Vergeltung, die sie Ihm zugedacht hatten, auf ihren eigenen Kopf bringen (Joel 3, 4) und den Jubel über Philistäa anheben (Ps 60, 8; 108, 9). Sein Volk Israel wird Ihm bei dem Gericht behilflich sein: sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen (Jes 11, 14), die Bewohner der Schephelah (Niederung) werden die Philister in Besitz nehmen (Obadja 19). Die Küste wird dem Überrest des Hauses Juda gehören; sie werden darauf weiden, in den Häusern Askalons werden sie sich am Abend lagern (Zeph 2, 7; vgl. Sach 9, 5 und Jer 47, 1‑7).
Das Gericht über Edom
Schließlich noch das Gericht über EDOM, das in den Prophezeiungen solch großen Platz einnimmt. Die Edomiter sind die Nachkommen Esaus (l. Mo 36, 1. 9), und deshalb das Brudervolk Israels. Aber „Jakob“ (Israel) wurde von Jahwe geliebt und „Esau“ (Edom) gehaßt, weil seine Werke böse waren (Mal 1, 2‑5; Röm 9, 13; Hebr 12, 16. 17). Stets blieb Edom einer der großen Feinde Israels (4. Mo 20, 14‑21; 1. Sam 14, 47; 2. Sam 8, 13. 14; 1. Kön 11, 14; 2. Kön 8, 20‑22; 14, 7). Auch hierbei sind verschiedene Prophezeiungen schon vorläufig erfüllt, aber immer wieder wird deutlich, daß die endgültige Erfüllung in Christus stattfinden wird und also noch kommen muß. Gerade weil Edom seinen eigenen Bruder gehaßt und bedrängt hat und mit Schadenfreude auf den Untergang seines Bruders geachtet und ihn gefördert hat, wird er unmöglich dem Gericht Gottes entkommen können (Amos 1, 11. 12; Obad 12‑14; Mal 1, 2‑5). Jahwe Selbst (das ist Christus) wird das Gericht über dieses gottlose Volk ausüben (4. Mo 24, 17. 18; Jer 9, 26; 25, 21; Klgl 4, 21. 22; Hes 36, 5‑7; Ps 60, 8; 108, 9; 137, 7). Auch hier wird Sein Volk Israel Ihm helfen, denn Gott sagt, daß Er Seine Rache über Edom bringen wird durch die Hand Seines Volkes (Hes 25, 12‑14; siehe auch Jes 11, 14; Amos 9, 12; Ob 21). Für Edom wird es niemals mehr Wiederherstellung geben; es wird zu einer ewigen Wüste werden (Jes 34, 9‑17; Jer 49, 13; Hes 32, 29; 35, 1‑15; Joel 3, 19; Mal 1, 3. 4).
Die Bedeutung des Gerichts über Edom wird aus der Tatsache ersichtlich, daß ein ganzes Buch der Bibel sich ausschließlich hiermit befaßt, nämlich das Buch Obadja, das übrigens starke Übereinstimmung zeigt mit Jeremia 49, 7‑22, wenn auch kennzeichnende Unterschiede da sind. Beide zeigen deutlich, daß das Gericht in der Endzeit stattfinden wird: es wird am Tag Jahwes stattfinden, und darauf folgt das „Königtum Jahwes“, die Regierung Christi, was für Israel Befreiung und Frieden bedeutet. So auch Hesekiel 35, das über die „Zeit der Ungerechtigkeit des Endes“ (Vers 5) spricht. So auch Klagelieder 4, 21. 22, was erst erfüllt wird, wenn Zions Ungerechtigkeit ein Ende hat. Und vor allem die wichtigen Abschnitte in Jesaja 34 und 63, die das Gericht über Edom mit den prophetischen Ereignissen der Endzeit, sowohl mit dem Gericht über alle Völker als auch mit der Erlösung Israels in Verbindung bringen. Das Gericht in Edom steht in Zusammenhang mit dem Schicksal Zions, denn Jahwe wird in Edom einen Tag der Rache haben, ein Jahr der Vergeltungen für die Rechtssache Zions (Jes 34, 8; vgl. 63, 4). Das Gericht dort erstreckt sich auf viele Völker, die dort versammelt werden und ein völliges Ende finden (34, 1‑3. 6; 63, 3. 6). Vergleiche die Beschreibung in Kapitel 34, 3. 6. 7 und 63, 2‑4 mit Offenbarung 19, 13. 15. 17; die Gerichte ähneln sich, ob es aber um genau dasselbe Ereignis geht, halte ich für sehr unwahrscheinlich wegen des bereits früher besprochenen Unterschiedes in dem prophetischen Charakter zwischen Daniel und der Offenbarung einerseits und den übrigen Propheten andererseits. Es müssen also andere, vermutlich östliche Völker sein, die im Land Edom gerichtet werden. Es sind nicht die westlichen Mächte, denn die werden in Armagedon geschlagen (Offb 16, 16; 19, 19); es ist auch nicht der König des Nordens mit seinen Bundesgenossen, denn Edom wird deutlich von ihm unterschieden (Dan 11, 41); es ist auch nicht Gog, denn der wird auf den Bergen Israels fallen (Hes 39, 4). Wir müssen das Gericht über Edom, wie es vor allem in Jesaja 34 und 63, 1‑6 beschrieben wird, also völlig getrennt sehen als den bedeutsamen Abschluß der Gerichte über die Völker ringsherum; bedeutsam deshalb, weil das Schicksal Zions eng damit verbunden ist, und Jahwe (Christus) es ganz allein ausführen wird. Daß das tatsächlich die Schlußphase des Gerichtes über die Bedränger Zions ist, wird daraus ersichtlich, daß Jesaja 34 auf die erste Gründung der Regierung Christi in Kapitel 33 folgt; aber erst wenn dann die „Rechtssache Zions“ in Kapitel 34 ganz vollendet ist, folgt Kapitel 35 mit dem vollkommenen Segen. Das sehen wir auch in den Kapiteln 62 und 63, 1‑6: zuerst wird Zion die Rettung durch das Kommen des Erlösers angekündigt, aber dann fragt Zion in Kapitel 63, 1, wer es ist, der in blutgefärbten Gewändern von Edom kommt. Christus gibt die Antwort: Er hat die Völker allein geschlagen, und als der große Endsieger kommt Er von Edom nach Zion; dann ist die Erlösung vollständig. Mehrmals sehen wir in der Schrift, daß die Erlösung des Volkes zustande gebracht wird durch Gott, der von Edom heraufkommt: siehe 5. Mo 33, 2; Ri 5, 4 und Hab 3, 3. 13 (Teman liegt in Edom, siehe Jer 49, 7. 20; Hes 25, 13; Amos 1, 12; Ob 9).
Bisher haben wir also drei große Gerichte unterschieden (abgesehen von dem noch zu besprechenden Gericht über Gog, das aber eigentlich den Schluß der Gerichte über Assur bildet), wie wir es schon in Verbindung mit Psalm 83, 9‑11 besprochen haben, nämlich: das Gericht über die römischen Heere unter der Führung des Tieres und des Antichristen bei Harmagedon (Offb 19; Christus kommt vom Himmel hernieder, aber noch nicht auf die Erde), zweitens das Gericht über den Assyrer und seine Bundesgenossen: die versammelten Völker im Tal Josaphat (Christus kommt auf den Ölberg herab und errichtet Seine Regierung in Zion); und drittens das Gericht über die Völker in Bozra, in Edom, wonach Christus siegreich aus Edom zurückkehrt, um dem Land endlich Ruhe zu verschaffen.
Der Einfall Gogs
Dann wird tatsächlich Ruhe im Land einkehren, aber doch wird diese Ruhe noch nicht endgültig sein. Es ist die Ruhe, von der wir in Hesekiel 38, 8 lesen; dort ist die Rede von dem Land, „das vom Schwerte wiederhergestellt“ ist, „das aus vielen Völkern gesammelt ist, auf die Berge Israels, welche beständig verödet waren; und es ist herausgeführt aus den Völkern, und sie wohnen in Sicherheit allesamt“ (siehe auch die Verse 11 und 12). Aber derselbe Vers sagt auch, daß diese Ruhe grausam durch den Einfall der letzten feindlichen Macht gestört werden wird, die vernichtet werden muß, nämlich den Einfall der Heere Gogs. Diesen Einfall wollen wir jetzt besehen und dazu drei Fragen behandeln:
1. Wann wird der Einfall Gogs stattfinden?
2. Wer ist Gog?
3. Wie wird er zu seinem Ende kommen?
Erstens also: Wann wird Gog in das Land Israel einfallen? Es hat sehr gute Schriftausleger gegeben, die meinten, daß der Einfall Gogs zu einem viel früheren Zeitpunkt stattfinden werde; sie dachten, daß Gog derselbe sei wie der Assyrer und daß sich Hesekiel 38 und 39 auf die zweite Belagerung Jerusalems beziehen. Sie fassen die Ruhe in Kapitel 38, 8 also als die zeitliche Ruhe auf, die Israel im Land genießen würde, nachdem es im Unglauben den Staat Israel gegründet habe, wie wir das ja auch in Psalm 107 finden (Verse 34‑38); danach würde dann der König des Nordens diese Ruhe stören. Wir glauben aber, begründete Bedenken gegen diese Auffassung zu haben. Kann man denn nun von den Juden sagen, daß sie völlig vom Schwert wiederhergestellt sind, ohne daß es ihnen jemals wieder etwas anhaben wird? Müssen sie nicht vielmehr noch die große Drangsal durchmachen? Kann man sagen, daß sie herausgeführt sind (also nicht aus sich selbst zurückgekehrt, sondern von Jahwe zurückgebracht) und daß sie in Sicherheit wohnen?
Aber was viel beweiskräftiger ist, ist die große geschichtliche Linie, die wir sehr deutlich in Hesekiel 33‑39 entdekken können, und sogar noch weiter; diese geschichtliche Linie macht es uns möglich, daß wir die Ereignisse in diesen Kapiteln an ihren richtigen historischen Platz stellen können.
Kapitel 33 gibt uns den großen Grundsatz der Wege Gottes in der Endzeit, nämlich das persönliche Verhältnis zu Gott.
Kapitel 34 enthält das Gericht über die falschen Hirten Israels und die Rettung der Schafe Gottes, über die Gott Seinen Knecht David als Hirten bestellen wird.
Kapitel 35 ist eine Einschaltung, die das Gericht über den großen Feind Israels behandelt: Edom.
Kapitel 36 spricht über die geistliche Wiederherstellung.
Kapitel 37 spricht von der nationalen Wiederherstellung Israels, wobei der besondere Nachdruck auf der Vereinigung der zwei und der zehn Stämme liegt.
Erst danach, ganz am Ende des geschichtlichen Teils der Prophetie, finden wir das Gericht über Gog, während wir dann, ab Kapitel 40, den Bau des neuen Tempels im Tausendjährigen Reich finden.
Das alles spricht sehr dafür, daß der Einfall Gogs erst nach der Wiederkunft stattfinden wird, wenn der wahre David über das Volk regiert, wenn Israel und Juda wieder vereinigt sind, wenn die Israeliten wiedergeboren sind und den Geist Gottes besitzen. Dann erst, wenn die Heeresmächte, die gegen das Volk heraufziehen, bei der Wiederkunft geschlagen werden und wenn die umliegenden Nationen sodann gleichfalls gerichtet werden und das Volk zur Ruhe kommt, dann erst wird der allerletzte Feind, der noch übrig ist, in das Land einfallen.
Wer ist Gog?
Wer ist nun dieser Gog? Wir dürfen ihn auf keinen Fall mit dem Gog in Offenbarung 20, 8 verwechseln, denn dieser wird erst am Ende des Tausendjährigen Reiches heraufziehen, während wir jetzt über den Beginn des Reiches sprechen. In Hesekiel 38 wird er mit seinem vollständigen Namen genannt: „Gog vom Lande Magog, den Fürsten von Rosch, Mesech und Tubal‘ Gog kommt weiter nicht in der Bibel vor, außer als Eigenname in 1. Chronika 5, 4. Magog, Mesech und Tubal finden wir in 1. Mose 10, 2 und 1. Chronika 1, 5 als die Söhne Japhets; Mesech und Tubal kommen noch in Hesekiel 27, 13 und 32, 26 vor, Mesech in Psalm 120, 5 und Tubal in Jesaja 66, 19. Rosch begegnen wir weiter nicht in der Schrift außer als Eigenname in 1. Mose 46, 21, es sei denn daß solche recht haben, die ihn mit Tiras in 1. Mose 10, 2 und 1. Chronika 1, 5 gleichsetzen.
Viele Anknüpfungspunkte haben wir also nicht, es sei denn, daß wir auch historische Angaben hinzuziehen. Aber kann Hesekiel 38 selbst uns nicht weiterhelfen? Vers 17 scheint mir sehr wichtig zu sein: „So spricht der Herr, Jahwe: Bist du [das ist Gog] der, von welchem ich in den vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels, welche in jenen Tagen Jahre lang weissagten, daß ich dich wider sie heranbringen würde?“ Nun, wer ist dieser Feind, über den die Propheten so viel geredet haben? Jeder, der die Prophezeiungen liest, weiß, daß das der Assyrer sein muß. Andererseits ist es jedoch sofort deutlich, daß Gog nicht derselbe sein kann wie der König des Nordens. Wie können wir diese Schwierigkeiten lösen? Ist der König des Nordens nicht auch der Assyrer?
Wir können das so sehen; tatsächlich ist der König des Nordens ein Repräsentant der assyrischen Macht, aber wir haben auch deutlich gesehen, daß er nicht die Hauptfigur ist. In Daniel 8, 24 lesen wir, daß er große Macht hat, aber daß diese Macht nicht von ihm selbst kommt (vgl. Offb 9, 7. 8). Hinter diesem König des Nordens (der in Daniel übrigens auch niemals Assyrer genannt wird) steht die eigentliche Hauptmacht, der eigentliche „Assyrer“. Anfangs zieht nur der König des Nordens herauf, der über Syrien regiert, und vielleicht die Türkei und/oder der Irak; dieser König ist es auch, der die erste Belagerung vor Jerusalem durchführt und später die zweite Belagerung. Dann kommt er jedoch zu seinem Ende, ohne daß jemand ihm hilft (Dan 11, 45). Diese Niederlage ist die Niederlage Assurs, wie wir das in anderen Propheten finden (vornehmlich Jesaja und Micha). Aber diese letzten Propheten unterscheiden nicht zwischen der Niederlage des Königs des Nordens und der Vernichtung der später einfallenden Hauptmacht Assurs. Sie vereinigen diese unterschiedlichen Einfälle und Niederlagen zu einer Beschreibung der Vernichtung Assurs. In Daniel und Hesekiel wird dieser Unterschied wohl gemacht; der erste beschreibt die Geschichte Gogs (die große Macht hinter dem König des Nordens), und zusammen bilden diese beiden den „Assur“ der anderen Propheten.
Vielleicht finden wir in Jesaja einen versteckten Unterschied zwischen diesen beiden Mächten in Kapitel 33, wo von einem Verwüster und einem Räuber (oder: einem treulos Handelnden) die Rede ist; es ist eine Macht, aber in zwei unterschiedlichen Charakteren vorgestellt. Der „Verwüster“ wäre dann der König des Nordens (vergleiche dasselbe hebräische Wort ‚,schaded“ in Jer 6, 2. 26 und 15, 8, und vor allem in Jes 16, 4), und der „Verräter“ (boged) wäre dann Gog. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß auch in Jesaja 33 diese Macht in das Land einfällt, nachdem bereits eine gewisse Ruhe im Land eingetreten ist (vgl. Hes 38, 8), denn wir lesen in Vers 5: „Jahwe ist hocherhaben; denn er wohnt in der Höhe, er füllt Zion mit Recht und Gerechtigkeit. Und es wird Festigkeit deiner Zeiten, Fülle von Heil, von Weisheit und Erkenntnis geben; die Furcht Jahwes wird sein Schatz sein.“
Wenn nun das Gebiet des Königs des Nordens schon einen großen Teil Kleinasiens und des Mittleren Ostens umfaßt, wie groß und wo muß dann wohl das gewaltige Gebiet seines großen Meisters sein, der Gog heißt? Auch das teilt Hesekiel uns mit. Der König in Daniel kommt aus dem Norden, aber der Fürst, den wir in Hesekiel 38 finden, kommt von „den Seiten des Nordens“, ein hebräischer Ausdruck (jarket zafön) für den äußersten Norden (siehe 38, 6. 15; 39, 2). Wir müssen Gog also noch viel nördlicher suchen als Kleinasien, also gegen Norden des Schwarzen Meeres, und so gelangen wir von selbst zu dem unermeßlichen russischen Reich mit seinen zwei Hauptstädten Moskau (europäisches Rußland) und Tobolsk (asiatisches Rußland). Doch ist diese Schlußfolgerung gerechtfertigt? Dürfen wir ohne weiteres sagen, daß Gog derselbe wie Rußland ist? Auch das wird in diesem Kapitel deutlich, denn dort steht: Gog, Fürst von Rosch, Mesech und Tubal. Rosch ist ein alter Name für die Russen, der Fluß Dnjestr hieß früher Tiras, und Mesech und Tubal (in der Septuaginta‑Übersetzung „Mosoch“ und „Thobel“ genannt) sind deutlich dasselbe wie Moskau und Tobolsk.
Nun tritt da eine scheinbare Schwierigkeit auf; denn wenn wir die anderen Schriftstellen aufschlagen, wo die Namen Mesech und Tubal vorkommen, und auch, wenn wir sie in der profanen Geschichte nachschlagen, müssen wir zu der Schlußfolgerung kommen, daß diese Namen in erster Linie doch auf Völker hinweisen, die südlich vom Schwarzen Meer gewohnt haben und nicht nördlich (siehe vor allem Ps 120, 5; Hes 27, 13; 32, 26). Das kann tatsächlich richtig sein, aber es ist doch ganz klar, daß sie in den Kapiteln 38 und 39 eine andere Bedeutung haben, und zwar eine viel weitergehende, denn sie weisen auf weiter weg gelegene Völker oder Städte hin. Daß das so ist, wird aus der Tatsache ersichtlich, daß wenigstens dreimal gesagt wird, daß sie im äußersten Norden wohnen, während sie darüber hinaus in unmittelbarem Zusammenhang mit Rosch stehen, das Rußland bedeutet und sonst nicht mehr in der Bibel vorkommt.
Übrigens ist eine derartige Bedeutungsverschiebung eines prophetischen Namens in der Schrift gar nicht ungewöhnlich. Denken wir beispielsweise an Babel oder Babylon, das im Wort Gottes immer dieselbe geistliche Bedeutung hat, aber zuerst eine Stadt war, danach ein Weltreich und in Zukunft ein religiöses System sein wird. So zum Beispiel auch die Kittäer, womit in erster Linie die Bewohner der Stadt Kittion oder Cyprus gemeint sind, danach die ganze Insel Cypern (4. Mo 24, 24; Jes 23, 1. 12) und später sogar die Küsten des Mittelmeeres im allgemeinen (Jer 2, 10; Hes 27, 6; vgl. 1. Mo 10, 4. 5) und schließlich sogar die Römer (Dan 11, 30). Wir müssen also bei der Bestimmung der geographischen Grenzen eines prophetischen Namens vorsichtig sein.
Die Vernichtung Gogs
Die Geschichte des Einfalls und der Niederlage Gogs wird sehr klar in Hesekiel 38 und 39 beschrieben und braucht hier nicht ausführlich kommentiert zu werden. Wenn sein Strohmann, der König des Nordens, umgekommen ist (wobei er selbst unbeschadet bleibt), ruft er seine ganze Heeresmacht zusammen und alle seine Bundesgenossen (die Perser, Äthiopier, Putäer, Gomer und Togarma), so daß es ein unsagbar großes Heer wird, das wie eine Wolke die Erde bedeckt (38, 9). Aber Jahwe (das ist Christus) wird ihm entgegentreten, sobald er in das Land Israel eingefallen ist. Der Herr wird sie auf die Berge Israels hinauftreiben und sie dort mit Erdbeben, Pest, Blut, Regen, Hagel, Feuer und Schwefel überfallen. Dort auf dem Gebirge wird Gog auf schreckliche Weise zu Fall kommen und zu einer Beute der Tiere werden. Sieben Monate werden die Israeliten benötigen, um die Leichen zu begraben, und sieben Jahre werden sie mit ihrem Kriegsgerät Feuer machen. Dieser letzte Sieg, den Christus während Seiner Davidsregierung erringen wird, ist sehr bedeutsam; es wird der Tag sein, an dem Christus Sich verherrlichen wird (39, 13). Wenn die allergrößte Heeresmacht unter der Anführung Gogs heraufziehen wird, um das Volk, das Jahwe Selbst in das Land zurückgebracht hat und das Er in Ruhe wohnen läßt, zu überfallen, dann wird Er Sich an allen Völkern heilig erweisen (38, 23; 39, 7. 27‑29). Er wird nicht zulassen, daß Sein Name noch länger entheiligt wird, sondern Er wird Seinen Namen verherrlichen, einerseits, indem Er alle Seine unheiligen Feinde endgültig schlägt, und andererseits, indem Er über das Volk, das einmal verunreinigt war, nun aber wieder in Gnaden angenommen ist, Seinen Geist ausgegossen hat. Dieser letzte große Krieg ist die vollkommene Offenbarung des Gottes Israels, der allen Völkern kundtut, daß Er Jahwe ist, heilig in Israel. Dann werden alle Völker Ihn anerkennen und loben (vgl. PS 100).
Die Schafe und die Böcke
So haben wir nun gesehen, welche großen Mächte der Herr überwinden muß, nachdem Er wiedergekommen ist und Seine herrliche Regierung auf Zion in Jerusalem errichtet hat. Mit dem Einfall und der Vernichtung Gogs sind diese großen Schlachten nun aber vorbei; die lang erwartete Ruhe kann endlich anbrechen. Wir müssen lediglich noch auf zwei Aspekte der Davidsregierung Christi hinweisen, da sie sehr wichtig sind; weil sie aber nicht in direkter Verbindung mit Jerusalem stehen, erwähnen wir sie nur kurz.
Der erste Punkt ist das Gericht über die lebenden Völker vor dem Thron Christi, und das finden wir in Matthäus 25, 31‑46. Die Gerichte Christi nach Seiner Wiederkunft sind zweierlei Art: erstens wird Er durch Kriege Gericht an denen üben, die mit feindlichen Heeresmächte gegen Ihn heraufziehen; das haben wir bis jetzt in diesen Kapiteln behandelt. Zweitens werden Gerichte stattfinden mittels einer Gerichtssitzung, und das finden wir in Matthäus 25.
Das ist also kein Gericht über Menschen, die mit feindlichen Absichten gegen Ihn heraufziehen, sondern über alle übrigen Menschen, die zwar nicht öffentlich ihre Feindschaft bezeugen, bei denen aber doch festgestellt werden muß, ob sie würdig sind, in das Königreich einzugehen. Diese Beurteilung findet vor dem Thron der Herrlichkeit des Sohnes des Menschen statt (Vers 31). „Und er wird richten zwischen den Nationen und Recht sprechen vielen Völkern“ (Jes 2, 4).
Alle Völker der Erde werden dann vor Ihm versammelt und in zwei große Gruppen eingeteilt, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Beachte, daß hier tatsächlich steht, daß die Völker voneinander geschieden werden, nicht einzelne Personen. Wird es nicht Völker geben, die eine viel größere Verantwortung tragen als andere Völker? Wie groß ist doch die Verantwortung der Völker, die sich jetzt in unserer Zeit christlich nennen, aber das Evangelium verwerfen; die die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um errettet zu werden, und die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit! Ihnen wird Gott nach der Aufnahme der Versammlung eine wirksame Kraft des Irrwahns senden, daß sie der Lüge glauben (2. Thess 2, 10‑12). Wieviel größer ist ihre Verantwortung als die der Völker, die niemals von Christus und dem Heil in Ihm gehört haben und davon erst nach Seiner Wiederkunft hören werden (Jes 66, 18. 19).
Die Brüder des Königs
Wonach werden diese Völker, die vor dem Thron der Herrlichkeit stehen, beurteilt? Die große Frage, um die es gehen wird, ist, wie sie sich „den Brüdern des Königs“ gegenüber verhalten haben (Vers 40). Diese Brüder bilden also eine von den Völkern unterschiedene Gruppe. Es sind natürlich die, die während des Zeitabschnitts nach der Aufnahme der Versammlung und vor der Wiederkunft des Herrn aus den Juden zur Bekehrung gekommen sind und die den König erwarten und deshalb von Ihm als Seine Brüder anerkannt werden (vgl. auch den wichtigen Vers in Mt 28, 10 und weiterhin Ps 22, 22; Hebr 2, 12. 17; Offb 12, 10).
Wir haben gesehen, daß diese Brüder vor der großen Drangsal über die ganze Erde ausgehen werden, um das Evangelium des Reiches zu verkündigen, und die wichtige Frage ist nun, wie die Völker auf dieses Evangelium reagieren (Mt 2, 14). Wenn auch dieses Zeugnis schwächer wird durch die Stunde der Versuchung (NIt 24, 15; Ofb 3, 10), dann wird trotzdem noch das letzte Zeugnis Gottes da sein, das sich an die richtet, die auf der Erde wohnen, nämlich das ewige Evangelium, das den großen Schöpfer des Himmels und der Erde betrifft (Offb 14, 6. 7; vgl. Ps 96!).
Viele aus den Völkern werden glücklicherweise diese letzten Zeugnisse Gottes annehmen und getauft werden (Mt 28, 19; auch hier wieder genau genommen: „Völker“, die getauft werden, und nicht so sehr einzelne Personen aus den Völkern). Sie werden die Brüder des Königs freundlich und gastfrei behandeln (Nft 10, 14‑42; 25, 34‑40). Diese Gläubigen aus den Völkern werden während der großen Drangsal sehr leiden müssen, aber viele werden ausharren bis ans Ende und errettet werden. Das ist die große Volksmenge, die niemand zählen kann (Offb 7, 9‑17). Der Vater wird sie segnen und ihnen das Reich geben, das ihnen von Grundlegung der Welt an bereitet ist (Nft 25, 34; vgl. Offb 13, 8 und siehe den Unterschied zur Versammlung, die auserwählt ist vor Grundlegung der Welt; Eph 1, 4).
Die übrigen Völker werden dagegen für das ewige Feuer bestimmt werden, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist (Nft 25, 41; vgl. 7, 23; 18, 8), und nach dem Gericht vor dem großen weißen Thron, tausend Jahre später (Offb 20, 11‑15), werden sie dorthin geworfen werden. Ebenso wie die Heere werden sie noch nicht sofort in die Hölle geworfen, sondern getötet (Offb 19, 21); das bedeutet, daß sie noch nicht mit Seele und Leib in die Hölle geworfen werden (vgl. Mt 10, 28), sondern daß ihre Seelen zum Totenreich (Hades) gehen, wo sie auf das Gericht vor dem großen weißen Thron warten (Offb 20, 11‑15), während die gestorbenen Leiber der Soldaten auf der Erde liegen werden (Offb 19, 17. 18; Jes 34, 6. 7; Hes 39, 11‑20 usw.).
Doch die Treuen gehen ins Reich ein, das hier das „ewige Leben“ genannt wird (Nft 25, 46); das ist natürlich alttestamentliche Sprache und bedeutet hier dasselbe wie in Psalm 133, 3 und Daniel 12, 2, wo es ebenfalls mit der Erde in Verbindung steht und Bezug hat auf die Segnungen der Regierung Christi im Tausendjährigen Reich und auf der neuen Erde. Das ist also eine völlig andere Bedeutung als die, die Paulus dem Ausdruck „ewiges Leben“ gibt als der Hoffnung der Versammlung (Tit 1, 2; 3, 7). Wir werden es am Ende unseres Wandels als ein Erbe im Himmel empfangen (Röm 5, 21; 6, 22. 23; vgl. 2, 7; Gal 6, 8; 1. Tim 1, 16; 6, 12). Johannes gibt diesem Begriff sogar noch eine viel tiefere Bedeutung; er beschreibt es als etwas, das wir jetzt schon besitzen, denn das ewige Leben ist in Ihm, dem Sohn Gottes Selbst (l. Joh 1, 2; 5, 20); wir haben Ihn als unser Leben, und durch Ihn kennen wir den Vater (Joh 17, 3). Wir müssen also immer gut aufpassen, daß wir bestimmte Ausdrücke nicht aus dem Zusammenhang lösen, sondern genau untersuchen, was der Heilige Geist uns in einem bestimmten Zusammenhang damit sagen will.
Der Platz der Menschen und der Dämonen im Friedensreich
Wir haben nun gesehen, welche Personen in das Reich eingehen werden, und um einen guten Überblick über die verschiedenen Gruppen zu bekommen, die es sowohl auf der Erde als auch im Himmel und unter der Erde geben wird, ist es sehr nützlich, an dieser Stelle eine Übersicht darüber zu geben.
1. Das Vaterhaus: Das ist der ewige, unerschaffene Himmel, der Wohnort des Vaters und des Sohnes, wo der Sohn nun auch als Mensch weilt und wohin Er uns, die Versammlung, einführen wird (Joh 14, 1‑3). Die Gläubigen des A. T und die Gläubigen, die nach der Entrükkung der Versammlung auferstehen, werden nie dorthin kommen, denn obwohl sie wiedergeboren sind, haben sie kein ewiges Leben in der Bedeutung, die ihm Johannes gibt; die Wiedergeburt ist ja eine irdische Sache, aber das ewige Leben ist eine himmlische Sache, das nur die bekommen, die durch den Geist dem ewigen Sohn Gottes glauben und Ihn bekennen (Joh 3, 5‑16. 36). Die gestorbenen und auferstandenen Gläubigen, die nicht zur Versammlung gehören, werden im
2. Himmel sein, ‑ also nicht im Vaterhaus, sondern in den himmlischen Sphären, wo auch die Engel sind (Mt 22, 30). Das sind die „höchsten Örter“ aus Daniel 7, die mit den himmlischen Örtern im Epheserbrief vergleichbar sind. Vergleiche weiterhin 2. Thess 1, 7. Obwohl sie nicht in das Vaterhaus kommen, sind sie doch weit über die Erdbewohner erhoben, denn sie werden einen himmlischen, verherrlichten Auferstehungsleib haben.
3. Die Erde: Hier gibt es zwei Gruppen, nämlich die Israeliten und die Nationen. Bei beiden wird es eine bestimmte Gruppe geben, die den ersten Platz einnimmt, nämlich diejenigen, die die Leiden der großen Drangsal durchgemacht haben. In Israel ist das der erlöste Überrest aus Juda, und unter den Nationen ist das die große Volksmenge aus Offenbarung 7, die Schafe aus Matthäus 25. Zweitens wird es sowohl in Israel als auch unter den Nationen eine große Gruppe geben, die erst nach der Wiederkunft von dem Messias hören wird, und Er wird sie dann in die Segnungen des Reiches einführen. In Israel ist das der Überrest aus den zehn Stämmen, und unter den Nationen ist das die Volksmenge, die nach der Wiederkunft von fernher hinzugefügt werden wird (Jes 66, 18. 19). Drittens wird es sowohl in Israel als auch unter den Nationen eine große Schar Kinder geben, die während des Friedensreiches geboren wird; das ist das Volk, welches geboren wird, von dem beispielsweise Psalm 22, 30. 31 spricht.
4. Der Hades: Während des Tausendjährigen Reiches wird kein einziger Gläubiger mehr im Paradiese sein, denn sie sind alle auferstanden, sei es bei der Aufnahme der Versammlung, oder sei es bei der Wiederkunft (Offb 20, 4). Dieser Teil des Hades*) ist also leer, in dem anderen Teil jedoch werden wohl noch Milliarden von Seelen sein, nämlich an dem „Ort der Qual“ (Lk 16, 23. 26. 28) oder „im Gefängnis“ (l. Petr 3, 19). Ja, die Ungläubigen werden nicht auferstehen, bis die tausend Jahre vollendet sind (Offb 20, 5). Sogar während des Friedensreiches werden noch viele Seelen zu den Bewohnern dieser Stätte hinzugefügt werden (Ps 101, 8; Jes 65, 20 und Offb 20. 9).
*) Vorausgesetzt, daß das Paradies ein Teil des Hades ist. Zwar heißt es auch von den alttestamentlichen Gläubigen, daß sie im Scheol oder Hades sind (siehe z. B. 1. Mo 37, 35; Hi 17, 16; Ps 88, 3; Ps 89, 48; Hos 13, 14), aber im N. T. hat das Wort „Hades“ eine andere Bedeutung (siehe z. B. den Unterschied zwischen Lk 16, 22 und Vers 23).
5. Der Feuersee: Das ist die Hölle. Hier halten sich während der tausend Jahre nur das Tier und der falsche Prophet auf (Offb 19, 19. 20). Nach den tausend Jahren, wenn die Toten vor dem großen weißen Thron gerichtet sind, werden auch sie in die Hölle geworfen werden.
6. Der tiefste Abgrund (tartarus): Diese Stätte wird in 2. Petrus 2, 4 genannt. Hier werden die Engel, die gesündigt haben, indem sie ihren ursprünglichen Zustand nicht bewahrt, sondern ihre eigene Behausung verlassen haben (Judas 6), mit ewigen Ketten unter der Finsternis zum Gericht des großen Tages verwahrt. Dieses Gericht findet sehr wahrscheinlich nach dem Friedensreich statt, wenn auch der Teufel in die Hölle geworfen werden wird (Offb 20, 10).
7. Der Abgrund (abyssus): Dieser Ort wird in Offenbarung 20, 1‑3 genannt, der „Abgrund“, in dem der Teufel während der tausend Jahre gebunden sein wird. Einmal, als der Satan in Hochmut verfiel, erlebte er seinen ersten Fall, als Gott ihn aus dem Himmel warf (Jes 14, 12‑15; Hes 28, 12b‑17; Lk 10, 18). Seinen zweiten Fall wird er erleben, wenn er in der Mitte der letzten Jahrwoche auf die Erde geworfen wird (Offb 12, 7‑9). Sein dritter Fall wird stattfinden, wenn er zu Beginn des Friedensreiches gebunden in den Abgrund geworfen wird, und sein vierter Fall wird stattfinden, wenn er in den Feuersee geworfen wird (Offb 20, 10). Jesaja 24, 21‑23 beschreibt uns mit auffallend großer Übereinstimmung dasselbe Ereignis wie Offenbarung 20, 1‑3: die Heerschar der Höhe (Satan und seine Engel) wird heimgesucht und in den Kerker eingeschlossen; dann wird Jahwe der Heerscharen herrschen auf dem Berg Zion und in Jerusalem, und vor Seinen Ältesten wird Herrlichkeit sein.
Wir sehen also, daß der Teufel während des Friedensreiches nicht in der Lage sein wird, die Menschen zu verführen, so daß auch in dieser Hinsicht nichts dem vollen Segen der Regierung Christi im Weg steht. Andererseits ist dieses „Binden“ auch notwendig, damit der Mensch, der im Genuß dieses herrlichen Segens ist, auf die Probe gestellt werden kann, ohne daß Satan seinen Einfluß ausübt. Dadurch wird der natürliche Mensch während dieser letzten Haushaltung, bei der letzten Prüfung dessen, was im Menschen ist, nicht die Schuld auf Satan schieben können, sondern es wird sich deutlich zeigen, daß trotz des Segens im Friedensreich und trotz der Abwesenheit Satans das Herz des natürlichen Menschen sich nicht verändert, sondern stets böse bleibt. Das werden wir in den folgenden Kapiteln sehen.