4. Die Drangsal Jakobs


In der Geschichte Jerusalems sind wir nun zu einem besonders einschneidenden Ereignis gekommen, das seinen Stempel auf die ganze weitere Geschichte drüc­ken wird. Wir haben gesehen, wie die Juden (aus den beiden Stämmen) in Palästina einen jüdischen Staat errichtet haben, ohne sich bekehrt zu haben. Weiter­hin haben wir gesehen, wie sie das Land wieder zur Blüte bringen und Jerusalem in die Hand bekommen. Dann werden sie ein Bündnis mit dem Antichristen und mit dem Staatsoberhaupt des wiederhergestellten Römischen Reiches (dem vereinigten Europa) schlie­ßen, um sich gegen ihren großen nördlichen Feind Assur zu schützen. Wir haben aber auch gesehen, daß inmitten dieser Gottlosigkeit ein Überrest von Treuen in Jerusalem gebildet wird, der durch das Untersu­chen der Schrift Jesus als Messias erwarten und das Evangelium des bevorstehenden Reiches predigen wird, nicht nur in den Städten Israels, sondern allen Nationen. Viele werden durch ihre Predigt zur Bekeh­rung kommen, aber es werden auch viele von ihnen verfolgt und getötet werden. Die übrigen werden da­durch geläutert und passend gemacht, die furchtbaren Ereignisse mitzumachen, die wir nun beschreiben müssen. Mehr als je steht hier Jerusalem im Mittel­punkt alles Geschehens. Bevor wir uns jedoch Jerusalem zuwenden, müssen wir die Ursache all des Schrecklichen, das geschehen wird, suchen; und diese Ursache liegt nicht in Jerusalem, sondern in tiefgrei­fenden Ereignissen im Himmel.

Satan wird aus dem Himmel geworfen

Diese Dinge werden in Offenbarung 12 beschrieben, wo wir eine Übersicht über die gesamte Geschichte Israels finden. Es wird dort als eine Frau dargestellt; sie umfaßt zwölf Stämme (zwölf Sterne) und ist mit höchster Autorität (der Sonne) bekleidet. Ihr großer Gegenspieler ist der Drache. Das ist Satan selbst (Vers 9), hier aber dargestellt in der Gestalt des Rö­mischen Reiches (Vers 3). Dieses Reich hat sein Zen­trum auf den sieben Bergen Roms und hat auch sie­ben Regierungsformen erlebt (17, 9. 10). In seiner Endform wird es ein Zehnstaatenbund sein (zehn Ze­hen, Dan 2; Offb 12; 13; 17) und ein Drittel der pro­phetischen Erde ausmachen (12, 4). In den Versen 4 und 5 sehen wir, daß die Römer ihre Wut gegen den großen König, der aus der Frau hervorgekommen war, gerichtet haben; aber obwohl sie ihn töteten, konnten sie nichts gegen ihn ausrichten. Er ersteht aus dem Tode auf und wird zu Gott und Seinem Thron entrückt. In dieser Entrückung ist zweifellos auch die Entrückung der Versammlung einbegriffen, die ebenfalls die Nationen mit eiserner Rute weiden wird (2, 26. 27), während aus Vers 6 ersichtlich ist, daß die Geschichte Israels mit den Ereignissen wieder aufgenommen wird, die nach der Aufnahme der Ver­sammlung stattfinden. In diesem Vers ist die Rede von den 1260 Tagen der letzten halben Jahrwoche, während die darauffolgenden Verse 7‑17 uns mitteilen, was in dieser Periode stattfinden wird. Zuerst wird be­schrieben, wodurch diese Periode eingeleitet wird. Im Himmel entsteht ein Kampf zwischen Michael und sei­nen Engeln einerseits und dem Drachen und seinen Engeln andererseits. Dieser Kampf verläuft zuungunsten der letzteren, denn sie werden aus dem Himmel auf die Erde geworfen. So ist ihnen fortan der Zugang zum Himmel versagt (vgl. Hiob 1, 6; 2, 1). Das ist der zweite große Fall, den der Satan erleben muß; der erste fand nach seinem Sündenfall statt (Jes 14, 12‑15; Hes 28, 12‑17; Lk 10, 18); der dritte findet zu Beginn des Frie­densreiches statt (Offb 20, 1‑3) und der vierte am Ende des Friedensreiches (20, 10).

Hier in Kapitel 12 wird der Teufel auf die Erde geworfen. Was das bedeutet, können wir uns kaum vorstellen. Auch in unserer Zeit ist er schon der Fürst dieser Welt (Joh 12, 31; 14, 30; 16, 11), der Gott dieses Zeitlaufs (2. Kor 4, 4), aber er hält sich noch in himmlischen Ör­tern auf (Eph 2, 2; 6, 12). Wenn er jedoch auf die Erde geworfen ist und seine direkte Macht den Großen der Erde verleihen wird (wie wir noch sehen werden), und der Heilige Geist nicht mehr auf der Erde ist, um die Gesetzlosigkeit zurückzuhalten (2. Thess 2, 7. 8), wird sein teuflisches Wirken furchtbar sein, um so mehr, als Gott dann das Gericht der Verhärtung an denen ausge­führt hat, die dem Evangelium ungehorsam gewesen sind (2. Thess 2, 9‑12). Die Wirksamkeit Satans auf der Erde wird aber nur kurze Zeit dauern ‑ lediglich drei­einhalb Jahre (vgl. Vers 14), und gerade deshalb wird seine Wut um so heftiger sein, weil er weiß, daß er nur wenig Zeit hat (Vers 12).

Die Verfolgung des „Weibes“

Sobald er auf die Erde geworfen ist, richtet sich seine Wut gegen dieses „Weib“. Wir müssen bedenken, daß dieses Weib nicht das gesamte Volk einschließlich der Gottlosen darstellt, sondern nur das wahre Volk, wie Gott es sieht, also den Überrest. Mit der gottlosen Masse des jüdischen Volkes steht das römische Staats­oberhaupt ‑ in dieser Periode die Personifikation des Teufels ‑ auf gutem Fuß, denn er hat ein Bündnis von sieben Jahren mit ihnen geschlossen (Dan 9, 27). Da­von ist dann inzwischen die Hälfte abgelaufen. Wie schon gesagt, wird das römische Staatsoberhaupt hier als das direkte Werkzeug Satans gesehen; wir haben das im Prinzip schon in Vers 3 gefunden. Sein Haß gegen die treuen Juden ist in Wirklichkeit der Haß Satans gegen Gott. Wir lesen in Kapitel 13, 2, daß der Drache (der Teufel) seine Macht, seinen Thron und große Gewalt dem Tier (dem römischen Staatsober­haupt) geben wird, eine Macht, die so groß ist, daß die ganze Erde sich über das Tier verwundern und den Drachen anbeten wird, der dem Tier die Gewalt gege­ben hat und sagen wird: „Wer ist dem Tiere gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?“ (13, 3. 4) Daß das Tier von dem Teufel beseelt sein wird, ist daraus ersicht­lich, daß es in den zweiundvierzig Monaten große Dinge und Gotteslästerungen aussprechen wird, ja, daß es Gott, dessen Namen, dessen Wohnung und die Bewohner des Himmels (die Versammlung und die Engel) lästern wird (Dan 7, 8. 20. 25; Offb 13, 5. 6).

Wir erkennen also deutlich, daß das Römische Reich seinen eigentlichen, satanischen Einfluß erst in der letz­ten halben Jahrwoche haben wird, nachdem der Teufel auf die Erde geworfen ist. In Vers 5 steht, daß ihm Gewalt gegeben wurde, zweiundvierzig Monate zu han­deln. In Daniel 7 sehen wir dasselbe: Das Tier wird darauf aus sein, die „Zeiten“ (das sind die Festzeiten Jahwes) und das Gesetz zu ändern, und sie werden tatsächlich in seine Macht gegeben werden während einer Zeit und Zeiten und einer halben Zeit (dreieinhalb Jahre). Hieraus wird deutlich, daß er durch das Bünd­nis mit Israel (Jes 28, 15; 57, 9. 10; Dan 9, 27) dort einen großen Einfluß hat, so groß, daß er sogar in den jüdischen Gottesdienst eingreifen kann, der in Jerusalem im Tempel ausgeübt wird (Offb 11, 1). Anfänglich wird er diesen Gottesdienst noch erlauben, wenn aber der Teufel sich seiner bemächtigt hat, macht er diesem Gottesdienst ein Ende (diesen Gottesdienst übte natür­lich der Überrest aus) und beginnt, die Heiligen schwer zu verfolgen (Dan 7, 21. 25). Auch Daniel 9, 27 spricht hierüber: „Und zur Hälfte der Woche wird er Schlacht­opfer und Speisopfer aufhören lassen.“ Die letzte halbe Woche ist also die Zeit der schwersten Verfolgung für den Überrest, so schwer, daß diese Periode nicht länger dauern dürfte, weil sonst alle Treuen umkommen wür­den (Mt 24, 22). Deshalb sagt auch Daniel 12, 11. 12: „Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abge­schafft wird . . . sind tausend zweihundertundneunzig Tage. Glückselig der, welcher harrt und tausend drei­hundertundfünfunddreißig Tage erreicht!“ Glückselig wird derjenige genannt, der in dieser schweren Zeit ausharrt und das Ende erreicht, sogar das Ende der Ereignisse, die kurz nach den dreieinhalb Jahren statt­finden. Ja, Ausharren und Glauben (Offb 13, 10) wer­den nötig sein, um standzuhalten, wenn das Tier Krieg gegen die Heiligen führen und sie überwinden wird (Offb 13, 7).

Kurz zusammengefaßt: Nachdem der Satan aus dem Himmel auf die Erde geworfen ist, wird er das rö­mische Staatsoberhaupt beseelen, das in Jerusalem den Gottesdienst aufhören lassen und die Verfolgung gegen die Heiligen in ungekanntem Maß steigern wird, so daß viele umkommen. Nun wissen wir, daß eng mit dem römischen Staatsoberhaupt verbunden ein Mann da sein wird, ein abgefallener Christ‑Jude, der von den gott­losen Juden als Messias angenommen werden wird: der Antichrist. Die Führer Jerusalems haben mit ihm und mit dem Tier ein Bündnis geschlossen (Jes 28, 15; 57, 9. 10). Der Antichrist wird als eine Art Propagandaminister für das römische Staatsoberhaupt fungieren, denn wir lesen in Offenbarung 13, 11‑15, daß er die ganze Gewalt des ersten Tieres vor ihm ausüben und die Auf­merksamkeit aller Nationen auf das Tier richten wird.

Der Antichrist in seiner wahren Gestalt

Dieser Mann nun wird noch mehr als das römische Staatsoberhaupt die Verkörperung Satans sein; das Tier wird die große Macht besitzen, die es von dem Dra­chen empfangen hat, aber der Antichrist wird die geist­liche Machtfigur sein, die die Macht des Tieres ausübt. Wir lesen von ihm, daß er wie ein Drache reden wird (Offb 13, 11); er übt nicht nur die Macht des Drachen aus, sondern sein Geist und seine Worte sind die des Drachen ‑ er ist der fleischgewordene Teufel, und er wird sich als solcher offenbaren, sobald der Teufel auf die Erde geworfen ist. Vor dieser Zeit akzeptierte er noch, daß es fromme Juden in Jerusalem gab, die in ihrem Tempel Schlachtopfer darbrachten, aber nun ist das vorbei. Zusammen mit seinem Bundesgenossen, dem Tier, wendet er sich gegen allen Gottesdienst: Wir lesen in Offenbarung 17 und 18, wie die zehn Könige (die Staatsoberhäupter der zehn Staaten des Römi­schen Reiches) zusammen mit dem Tier (dem großen politischen Führer, dem die zehn Könige alle Macht geben) die große römisch‑katholische Kirche völlig zu­grunde richten, wahrscheinlich zu Beginn der letzten halben Jahrwoche. Die Kirche, deren Machtgebiet größtenteils mit dem Gebiet des alten weströmischen Reiches zusammenfällt, wird völlig vernichtet werden. Dagegen ist aus Offenbarung 3, 3 ersichtlich, daß die großen protestantischen Staatskirchen, deren Gebiet größtenteils außerhalb des Römischen Reiches liegt, bis zur Wiederkunft bestehen bleiben, wenn der Herr sie richten wird. (Wenn wir hier über Kirchen spre­chen, denken wir natürlich an Namenchristen, denn die wahren Gläubigen sind dann ja schon lange in den Himmel aufgenommen). Außer dem römisch‑katholi­schen wird auch, wie gesagt, der jüdische Gottesdienst abgeschafft werden. Was werden das Tier und der falsche Prophet (das römische Staatsoberhaupt und der Antichrist) dem entgegensetzen? Einen schrecklichen Götzendienst! Der Herr Jesus Selbst zeichnet hiervon ein sehr deutliches Bild in Matthäus 12, 43‑45 und in Lukas 11, 24‑26 in dem Gleichnis von dem unreinen Geist, der von einem Menschen ausfährt, aber keine Ruhe findet und deshalb mit sieben anderen Geistern, böser als er selbst, das Haus betritt und bewohnt. So wird es mit diesem bösen Geschlecht geschehen. Ja, mit der babylonischen Gefangenschaft hatte der Göt­zendienst sein Ende gefunden; das Volk kannte keine Götzen mehr, auch nicht zur Zeit des Herrn Jesus. Aber das Haus war leer ‑ an die Stelle des Götzendien­stes war nicht der Dienst Jahwes getreten. Deshalb wird der Endzustand des Volkes noch viel schlimmer sein als sein Anfang. Der Götzendienst wird zurück­kehren, und zwar in einer viel ausgedehnteren und schrecklicheren Form als es ihn jemals gegeben hat. Das ist dann die Zeit des Antichristen.

Der Greuel der Verwüstung

Was wird der Antichrist dann tun? Wir haben gesehen, daß er (auf das Geheiß des Tieres) in dieser Zeit den Opferdienst im Tempel aufhören lassen wird. In diesem Tempel wird er nun, geradeso wie Antiochus Epipha­nes es damals tat (Dan 8, 11. 12; 11, 31), an der Stelle des Altars einen Greuelgötzen errichten. Im Buch Daniel wird dieser Götze der „Greuel“ genannt. Übri­gens deutet in der ganzen Bibel das Wort „Greuel“ auf Götzen hin. In Daniel 12, 11 lesen wir, daß zu Beginn der letzten halben Jahrwoche das tägliche Opfer abgeschafft wird und daß anstelle davon ein verwüstender Greuel aufgestellt wird. Und in Daniel 9, 27 (ein be­reits häufig zitierter Vers) finden wir dasselbe: „Und zur Hälfte der Woche wird er [der römische Fürst] Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung [wörtlich: „Flügel“, vgl. Jes 8, 8; andere übersetzen: „über dem Beschirmer] der Greuel [also der Götzen] wird ein Verwüster kommen.“ Die Juden werden in ihrem Wahn denken, daß dieser Götze sie gegen eine drohende Invasion schützen kann, aber gerade dieser Götzendienst wird ihnen eine von Gott gesandte Invasion bringen (siehe vor allem Jes 10, 5‑11). Eine andere, ebenso gute Übersetzung dieses Verses lau­tet: “ . . . und neben dem Flügel [nämlich der Cheru­bim] werden Greuel der Verwüstung [oder: Verwüster] stehen“ (siehe Fußnote in der Elberfelder Überset­zung). Im Allerheiligsten wird ein verwüstender Greuel errichtet werden. Es ist klar, daß von diesem Augen­blick an Gott diesen Tempel nicht mehr als Seinen Tempel anerkennen kann (vgl. vorher Offb 11, 1). Er wird ihn verabscheuen (Jes 66, 1‑4) und ihn schließlich bei der Wiederkunft Christi vernichten (Jes 66, 5. 6).

Wer ist nun dieser Verwüstung bringende Greuelgötze? Aus dem Vorhergehenden können wir es wohl ver­muten: Die Juden werden bei diesem Götzen Schutz suchen gegen die drohende Invasion des „Verwüsters“ (das ist in den Prophezeiungen stets der Assyrer), und wir haben schon gesehen, daß die jüdischen Führer sich gegen diese Invasion durch ein Bündnis mit dem Tier zu schützen suchen (Jes 28, 15; 57, 9. 10). Es ist also wahrscheinlich, daß dieser Götze das römische Tier ist. Genau das lehrt uns auch Offenbarung 13. Dort lesen wir, daß der Antichrist die Menschen dazu bringt, dem Tier ein Bild zu machen; er selbst wird Macht besitzen, diesem Bild des Tieres Odem zu geben, so daß dieses teuflische Bild sprechen und bewirken kann, daß jeder, der das Bild des Tieres nicht anbetet, getötet wird. Aus all diesen Gegebenheiten können wir erkennen, daß der Antichrist im Tempel, im Allerheiligsten, ein Bild des römischen Staatsoberhauptes errichten wird, so daß die gottlosen Juden, die ihr ganzes Vertrauen auf das Tier setzen und bei ihm Schutz suchen, ein greif­bares Bild dieses Mannes haben, das sie verehren und anbeten, weil sie sonst getötet werden. Viele der Heili­gen, die die Gebote Gottes und den Glauben Jesu be­wahren (Offb 14, 12), und viele andere, die bis dahin nicht geglaubt haben, sich aber nun doch weigern, diesen Götzen anzubeten, und die das ewige Evangelium von Gott als Schöpfer annehmen (14, 6. 7), werden zu Tode gebracht werden (Offb 13, 15; 14, 13; 15, 2; 20, 4). So weit wird der Götzendienst des Antichristen gehen, daß er widersteht und sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei (2. Thess 2, 4).

Aufgrund dieser Schriftabschnitte können wir nun auch Daniel 11, 37‑39 besser verstehen. Wir haben schon ge­sehen, daß es ab Vers 36 deutlich um die Endzeit und den Antichristen geht. In den Versen 36 und 37 finden wir dasselbe, was wir soeben in 2. Thessalonicher 2 ge­lesen haben: „Auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Weiber noch auf irgend einen Gott wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben.“ Gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches (oder: Abscheuliches) reden. Wen wird er denn statt dessen ehren? Den Gott der Festungen, „den Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien!“ Wer ist dieser fremde „Gott der Festungen“? Das muß das römische Tier sein, und zwar aus folgenden Gründen: Der Gott der Festungen weist deutlich hin auf den Hauptgott der Römer, Jupiter Capitolinus. Das ist der Gott des Capi­tols, der römischen Festung. Weiterhin ist hier eine deutliche Parallele zu Vers 31, wo wir eine Beschrei­bung davon finden, wie Antiochus Epiphanes im Tem­pel den Greuel errichtet hat, und das war, wie wir wissen, ebenfalls Jupiter Capitolinus. Drittens zeigt Vers 39, daß er mit Hilfe dieses fremden Gottes zu An­sehen kommen wird, und wir wissen ja, daß seine große Stütze und sein Bundesgenosse das römische Staatsoberhaupt ist. Dabei ist es interessant zu beden­ken, daß der wichtigste politische Grund für die Christenverfolgungen der war, daß die Christen den römi­schen Kaiser nicht als Gott anerkannten und ihm nicht opfern wollten. Geradeso wie in Ägypten und Japan wurde der Kaiser als jemand betrachtet, der von gött­lichem Geschlecht abstammte und der angebetet wer­den mußte. Genauso wird der Antichrist ein Bild des Tieres machen lassen und das als einen Götzen im Tem­pel aufstellen, wie auch Antiochus das tat. Deutlich vergleichbar mit dem, was Offenbarung 13, 16. 17 sagt, steht hier, daß jeder, der den fremden Gott anerkennen wird, Ehre und Herrschaft empfängt und zum Lohn Land ausgeteilt bekommt.

Die große Drangsal

Was wird währenddessen mit dem gläubigen Überrest geschehen? Für sie ist diese Zeit eine Zeit schreck­licher Drangsal und Verfolgung, in der viele getötet werden. Das ist die „Zeit der Drangsal für Jakob“, über die Jeremia spricht (30, 7) und von der Daniel sagt: „Und es wird eine Zeit der Drangsal sein, der­gleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit“ (12, 1). Der Herr Jesus gebraucht ähnliche Worte, wenn Er über diese Zeit spricht: „Denn alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzthin nicht gewesen ist, noch je sein wird“ (Mt 24, 21; vgl. Mk 13, 19). Siehe auch Ps 20, 1; 37, 39; 50, 15; Jes 33, 2; 37, 3; Jer 15, 11; 16, 19; Ob 12. 14; Nah 1, 7; Hab 3, 16; Zeph 1, 15. Nun müssen wir gut verstehen, worauf sich diese Ausdrücke „die Zeit der Drangsal“ und die „große Drangsal“ be­ziehen. Sie sind zum Beispiel nicht genau identisch mit der „Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erd­kreis kommen wird“ (Offb 3, 10) und der „großen Drangsal“ in Offenbarung 7, 14 (vgl. 2, 22). Diese Aus­drücke umfassen zwar ungefähr dieselbe Zeitspanne, aber die zuletzt genannten Ausdrücke haben eine wei­tergehende Bedeutung, weil sie sich auf die ganze Erde und auf alle Völker beziehen. Dahingegen haben die zuerst genannten Ausdrücke nur Bezug auf den Überrest Israels; sie beziehen sich nicht einmal auf den gottlosen Teil der Juden!

Das müssen wir gut unterscheiden; die Zeit der Drangsal für Jakob ist die Zeit, in der der gläubige Überrest wegen seines Glaubens und seiner Treue zum Wort Gottes und wegen des Glaubens an Jesus ver­folgt, bedrängt und getötet werden wird. Diese Be­drängnis findet ein Ende, wenn der Messias sie bei Seiner Wiederkunft erlösen wird. Es ist zwar wahr, daß auch die gottlosen Juden in große Bedrängnis kommen werden, aber das ist eine ganz andere Bedrängnis. Ihre Drangsal wird beginnen, wenn der Assyrer in das Land einfällt und es besetzt, Jerusalem belagert und ein­nimmt. Diese Bedrängnis ist keine Verfolgung um des Glaubens willen, sondern die richtende Hand Gottes über ein gottloses Volk. Assur ist die Zuchtrute in der Hand Gottes (Jes 10, 5). Diese Gerichte wird der Über­rest nicht mitmachen, denn er ist dann längst aus dem Land geflüchtet, gehorsam der Warnung Gottes, so daß er sicher ist vor dem Gericht. Ihre Bedrängnis ist kein Gericht, sondern eine heilsame Prüfung und Läuterung von seiten Gottes (vgl. Sach 13, 8. 9). Lediglich in Jerusalem wird eine Gruppe Treuer übrigbleiben. Sie fliehen nicht aus dem Land, sondern harren durch die Gerichte hin bis zum Ende aus und werden schließlich von Gott gebraucht, um zusammen mit dem Überrest, der aus den umliegenden Ländern (wohin er geflüchtet war) zurückkehrt, den Assyrer zu schlagen. Also noch­mals: Es gibt zwei „Drangsale“, die Drangsal des Über­restes durch die Bedrängnis von seiten der Gottlosen, im besonderen von seiten des Antichristen und des Tieres, und die Drangsal des gottlosen Volkes, wenn der Assyrer (trotz des Bündnisses der Juden mit dem Tier) das Land verwüsten wird. Das ist die große Linie der Ereignisse. Ich hoffe, daß eine weitere Darlegung dieser Ereignisse ein besseres Bild zeichnet, als diese große Linie es vermag.

Die Flucht der Gläubigen in Judäa

Wenn wir nun etwas ausführlicher dem Verlauf der letz­ten halben Woche nachgehen und fragen, was das erste Ereignis nach der Einführung des Greueldienstes ist, dann gibt der Herr uns Selbst die Antwort: „Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung, von welchem durch Daniel, den Propheten, geredet ist [Dan 12, 11], stehen sehet an heiligem Orte (wer es liest, der beachte es), daß alsdann die in Judäa sind auf die Berge fliehen; wer auf dem Dache ist, nicht hinabsteige, um die Sachen aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, nicht zurückkehre, um sein Kleid zu holen. Wehe aber den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen! Betet aber, daß eure Flucht nicht im Winter ge­schehe, noch am Sabbath; denn alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt­hin nicht gewesen ist, noch je sein wird; und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch geret­tet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden“ (Mt 24, 15‑22; Mk 13, 14‑20). Unmittelbar nach Einführung des Greueldienstes wird der Überrest Judäas die Flucht in die Berge ergreifen, indem er sich an das Wort des Herrn erinnert. (Das ist also ein erneuter Hinweis, daß sie auch das Neue Testa­ment kennen werden. Ja, gerade für sie gilt die Ermah­nung: „Wer es liest, der beachte es“.) Beachte, daß hier steht: „die in Judäa sind“! Diese werden fliehen; wir werden sogleich sehen, daß der Überrest in Jerusalem in der Stadt zurückbleibt.

Was wird mit dem Überrest Judäas geschehen, nach­dem er geflohen ist, und wohin wird er fliehen? Er wird sich verbergen müssen, um den schrecklichen Ver­folgungen zu entkommen. Gott Selbst sagt zu Seinen Treuen: „Geh hin, mein Volk, tritt ein in deine Ge­mächer und schließe deine Tür hinter dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorüber­gehe! Denn siehe, Jahwe tritt hervor aus seiner Stätte, um die Ungerechtigkeit der Bewohner der Erde an ihnen heimzusuchen; und die Erde enthüllt ihr Blut und bedeckt nicht länger ihre Ermordeten“ (Jes 26, 20. 21). Während der Zorn über die Erde kommt, wird der Überrest verborgen sein. Der „Zorn“ (zaäm) ist häu­fig in den Prophezeiungen ein Hinweis auf die Gerichte Gottes an dem gottlosen Volk während der letzten hal­ben Woche; siehe Dan 8, 19; 11, 36; Hes 22, 24; mittels Assur: Jes 10, 5. 25; vgl. 13, 5; auch gegen Assur selbst: Jes 30, 27; vgl. Jer 50, 25; und mehr allgemein: Jer 10, 10; Hes 21, 36; Nah 1, 6; Hab 3, 12; Zeph 3, 8. Manchmal steht es in Verbindung mit Festbeschlosse­nem“ (necheratsah), nämlich in Jes 10, 22‑25 und Dan 11, 36; das ist ein anderes kennzeichnendes Wort für die Endzeit (siehe hierzu Jes 28, 22; Dan 9, 26. 27), in diesen Texten und in Jes 10, 23 verbunden mit einem dritten, sehr typischen Wort für die Endzeit: „Vernich­tung“ (Kalah),*) (mit der Grundbedeutung „Vollen­dung“): siehe Hes 13, 13; Dan 11, 16 „und Vertilgung wird in seiner Hand sein“: Jes 10, 23; Jer 4, 27; 5, 10. 18; 30, 11; 46, 28; Hes 11, 13; 20, 17; Nah 1, 8. 9; Zeph 1, 18.

*) Kalah wird teilweise auch mit „Vertilgung“, „zerstören“, „zu Grunde richten“ und „den Garaus machen“ übersetzt, (Anm. d. Üb.).

Der Zufluchtsort des Überrestes

Nach diesen „technischen“ Angaben über die Prophetie kehren wir zu unserem Thema zurück. Wir haben gesehen, daß der Überrest in der Zeit der Gerichte verborgen sein wird. So ist es immer gewesen, wenn Jerusalem in Drangsal kam: Während der Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar war der Überrest längst in Babel, und während der Belagerung durch Titus waren die Christen ebenfalls außer Landes; in allen drei Fällen verließen die Treuen auf das Wort Gottes hin rechtzeitig den Ort, der gerichtet werden sollte, und zogen außer Landes. Eine Ausnahme bildet der Überrest, der in der Zukunft in Jerusalem zurück­bleiben und standhalten wird. Der Überrest, der aus dem Land flieht, wird von Jahwe Selbst verborgen werden. Bereits bei dem Aufruf zur Bekehrung hatte Gott gesagt: „Suchet Jahwe, alle ihr Sanftmütigen des Landes, die ihr sein Recht gewirkt habt; suchet Gerech­tigkeit, suchet Demut; vielleicht werdet ihr geborgen am Tage des Zornes Jahwes“ (Zeph 2, 3). Dasselbe finden wir als Grundsatz auch in den Psalmen: „Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tage des Übels, er wird mich verbergen in dem Verborgenen seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich erhöhen“ (Ps 27, 5; 31, 20). Fern von Jerusalem, fern von dem Gottes­dienst, fern von den feierlichen Zusammenkünften (vgl. Zeph 3, 18) wird Gott sie bewahren. Und wo ge­nau? Verschiedene Stellen werden uns im Wort Gottes genannt. Als erstes wenden wir uns zu Psalm 107.

Wir haben schon über diesen besonderen Psalm gespro­chen, aber eigentlich nur bis Vers 38; bis zu diesem Vers (ab Vers 23) sehen wir die Rückkehr der Juden in das Land, das Errichten der Wohnstadt und das Be­bauen des Landes. Das ist die Wiederherstellung der jüdischen Nation, anfänglich in sicherer Ruhe und Gedeihen, auch für den Überrest. Aber dann kommt die große Drangsal: „Und sie vermindern sich [diejeni­gen, die Gott angehören, die Gegenstände dieses Psal­mes] und werden gebeugt durch Bedrückung, Unglück und Jammer. Er schüttet Verachtung auf Fürsten und läßt sie umherirren in pfadloser Einöde; und er hebt den Armen empor aus dem Elend, und macht Herden gleich seine Geschlechter“ (Verse 39‑41). Hier sehen wir, daß der Überrest während der großen Drangsal in der Wüste umherirren wird, Jahwe ihn dort aber bewahren wird. Dasselbe finden wir in Offenbarung 12: „Und das Weib floh in die Wüste, woselbst sie eine von Gott bereitete Stätte hat, auf daß man sie daselbst ernähre tausend zweihundertsechzig Tage . . . Und es wurden dem Weibe die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, auf daß sie in die Wüste fliege, an ihre Stätte, woselbst sie ernährt wird eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit, fern von dem Angesicht der Schlange. Und die Schlange warf aus ihrem Munde Wasser, wie einen Strom, hinter dem Weibe her, auf daß sie sie mit dem Strome fortrisse. Und die Erde half dem Weibe, und die Erde tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Munde warf“ (Verse 6, 14‑16). Gott wird Seinen Überrest schützen und ihn in der Wüste unantastbar machen.

Nun ist die Frage, ob wir den Begriff „Wüste“ wörtlich auffassen müssen oder ob es ein symbolischer Aus­druck ist, wo ein Bereich gemeint ist ohne jede Erquic­kung, ohne einen lebendigen Brunnen, also ohne jeden geistlichen Genuß. So sagt Psalm 63, 1: „Nach dir schmachtet mein Fleisch in einem dürren und lechzen­den Lande ohne Wasser.“ Dieser Psalm (aus dem zwei­ten Psalmbuch) muß, genauso wie Psalm 42 (siehe Verse 1. 2. 6.), in die letzte halbe Jahrwoche eingeord­net werden (siehe später). Außer diesem Gesichtspunkt der Dürre gibt es noch eine andere Bedeutung des Wortes „Wüste“; diese Bedeutung finden wir in Hesekiel 20, 35: „Die Wüste der Völker, und in Hosea 2, 14 in Verbin­dung mit der Zerstreuung unter die Völker: “ . . . ich werde sie locken und sie in die Wüste führen.“ Sicher ist in jedem Fall, daß die Prophezeiungen uns deutlich lehren, daß der Überrest tatsächlich inmitten bestimm­ter Völker in der Umgebung Palästinas bewahrt werden wird. Wir lesen nämlich in Jesaja 16, daß zu Moab ge­sagt wird: „Sendet die Fettschafe des Landesherrschers von Sela [von der felsigen Gegend] durch die Wüste nach dem Berge der Tochter Zion . . . verbirg die Ver­triebenen, den Flüchtling entdecke nicht! laß meine Vertriebenen bei dir weilen! sei Moab ein Schutz vor dem Verwüster! ‑ Denn der Bedrücker hat ein Ende, die Zerstörung hat aufgehört, die Zertreter sind aus dem Lande verschwunden. Und ein Thron wird durch Güte aufgerichtet werden; und auf ihm wird im Zelte Davids einer sitzen in Wahrheit, der da richtet und nach Recht trachtet und der Gerechtigkeit kundig ist (Verse 1‑5).

Hier sehen wir, daß der Überrest, die Vertriebenen Gottes, einen Zufluchtsort im Lande Moab finden, wo sie bewahrt werden bis „der Verwüster“ (der Assyrer, vgl. Jes 33, 1) sein Ende gefunden hat (Dan 11, 45) und „der Bedrücker“ (der Antichrist) verschwunden ist; da­nach werden die Fettschafe aus Sela und der Wüste (!) gesammelt und nach Jerusalem zurückgebracht. Moab wird also ein Zufluchtsort für die geflüchteten Juden sein, wie das auch in der Zeit Nebukadnezars der Fall war (Jer 40, 11. 12). Darauf bezieht sich wahrscheinlich auch der Ausdruck in Psalm 60, 8 und 108, 9: „Moab ist mein Waschbecken“, d. h. ein Läuterungsort für den Überrest.

Vielleicht gehört auch Philistäa zu den Völkern, die den Heiligen als ein Zufluchtsort dienen werden, denn Ze­phanja 2, 7 sagt: „Und es wird ein Landstrich sein für den Überrest des Hauses Juda: sie werden darauf weiden und am Abend sich lagern in den Häusern Askelons, denn Jahwe, ihr Gott, wird sich ihrer annehmen und ihre Gefangenschaft wenden“; das scheint mir jedoch mehr Bezug auf die Zeit zu haben, wenn der Überrest wieder in das Land zurückgekehrt ist (vgl. V 9). Das um so mehr, als die Flucht auf die Berge (Mt 24; Mk 13; Ps 42, 6) eher in östlicher als in westlicher Richtung er­folgt. Schließlich finden wir noch einen Hinweis in Psalm 120, dem ersten Psalm der Stufenlieder (Auf­gangslieder nach Jerusalem), in denen wir eine fesselnde Übersicht über die Endgeschichte Jerusalems haben. Die Psalmen 120‑122 zeigen uns die Gefühle des Überrestes, der aus dem Land geflüchtet ist und in der Fremde weilt: „Wehe mir, daß ich weile in Mesech, daß ich wohne bei den Zelten Kedars! Lange hat meine Seele bei denen gewohnt, die den Frieden has­sen“ (Ps 120, 5. 6). Das hebräische Wort für „weilen“ hat die Bedeutung von „irgendwo als Gast oder Schütz­ling weilen“. Ein Teil des Überrestes wird sich also in Mesech aufhalten, nördlich von Palästina in Kleinasien und östlich davon. Ein anderer Teil wohnt in den „Zel­ten Kedars“, das im nordwestlichen Teil der arabischen Halbinsel liegt und an den Süden Palästinas grenzt.

Mesech finden wir auch in 1. Mose 10, 2, wo es ‑ als Nachkomme Japhets ‑ dasselbe Gebiet umfaßt, wäh­rend es in Hesekiel 38, 2. 3 ebenfalls genannt wird, wo es aber eine weitergehende Bedeutung hat, nämlich „im äußersten Norden“ (V. 6), und wo es mit Rosch, das ist Rußland, verbunden ist. Kedar finden wir auch in Jesaja 21, 13‑17, wo es deutlich zu dem arabischen Gebiet gehört, weiterhin in Jesaja 60, 7, wo es mit seinem Brudervolk Nebajoth verbunden ist, dem Sohn Ismaels, dem Vater der Araber (1. Mo 25, 13). Siehe auch Hohel 1, 5; Jes 42, 11; Jer 2, 10; 49, 28; Hes 27, 13. 21; 32, 26. Bei diesen Völkern wird der geflüchtete Überrest einen Zufluchtsort finden, aber sie werden sich dort bestimmt nicht zu Hause fühlen. Obwohl Gott sie be­schützt, leiden sie doch unter der Gottlosigkeit derer, bei denen sie Zuflucht gefunden haben: „Lange hat meine Seele bei denen gewohnt, die den Frieden hassen. Ich will nur Frieden; aber wenn ich rede, so sind sie für Krieg“ (Ps 120, 6. 7). Denn auch diese Völker, unter denen sich der Überrest aufhält, werden an dem Kampf gegen Jerusalem teilnehmen (Ps 83, 4‑8). Aber die Hoffnung des Überrestes gründet sich inzwischen völlig auf Jahwe, der Himmel und Erde gemacht hat, und im Vertrauen richten sie ihr Glaubensauge auf Zion (Ps 121; 125, 1. 2).

Der Überrest, der in Jerusalem zurückbleibt

Wir wollen nun den Überrest aus Judäa, der aus dem Land geflüchtet ist, dort lassen, wo er ist, und unsere Aufmerksamkeit auf die kleine Gruppe von Treuen richten, die in Jerusalem zurückgeblieben ist. Gerade zu denen, die so nahe bei dem Greuel der Verwüstung leben, hatte der Herr nicht gesagt, daß sie auf die Berge fliehen sollen! Gottes Wort ist äußerst genau, und es ist sehr bedeutsam, diesen Unterschied zwi­schen den Treuen aus Judäa und den Treuen in Jerusalem zu sehen; die eine Gruppe außer Landes, die an­dere in Jerusalem zurückgeblieben. Das ist also völlig verschieden von dem Zustand im Jahre 70 n. Chr., wie wir ihn in Lukas 21 angekündigt finden. Damals muß­ten auch diejenigen, die in der Stadt waren, auf die Berge fliehen: „Daß alsdann, die in Judäa sind, auf die Berge fliehen, und die in ihrer Mitte sind [d. i. Jerusalem, s. V 20], daraus entweichen, und die auf dem Lande sind, nicht in sie eingehen“ (V. 21). Das finden wir aber nicht in Matthäus 24, und das ist einer der vie­len Hinweise, daß es dort unmittelbar auf die Zukunft Bezug hat, zumindest auf ein anderes Ereignis als in Lukas 21. Denselben Unterschied haben wir in Offen­barung 12. Zuerst sehen wir dort die Frau, die in die Wüste flieht und da eintausend zweihundertsechzig Tage lang gegen die Angriffe Satans beschützt wird, und dann finden wir am Ende des Kapitels eine andere Gruppe, die „übrigen ihres Samens, welche die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben“ (V. 17). Es ist deutlich, daß das Juden sind, denn sie gehören zu dem Samen der Frau. Aber sie sind nicht in der Wüste, das wird aus dem Zusammenhang deutlich. Wer sind sie denn? Ja, wir kennen eben zwei Gruppen gläubiger Juden: solche, die in Judäa sind, und solche, die in Jerusalem sind. Die erste Gruppe flieht in die Wüste, also muß die Gruppe in Vers 17 der Überrest in Jerusalem sein, der in den letzten Tagen die Zielscheibe besonderer Angriffe Satans ist, wie wir noch sehen werden.

Über diesen Überrest in Jerusalem schreibt das Wort Gottes sehr ausführlich, aber, und das ist auch ver­ständlich, nahezu nur in Verbindung mit dem großen Angriff des Assyrers und seiner Bundesgenossen auf Jerusalem. Sonst finden wir nur allgemeine Angaben darüber. Bedeutsam ist die Frage, weshalb eine Gruppe Treuer in der Stadt zurückbleiben muß, wäh­rend das bei früheren Belagerungen nicht der Fall war. Es ist vielleicht gut, kurz der Geschichte vorzugreifen, um diese Frage zu verstehen. Bei allen früheren Belagerungen war es so, daß ein sehr durchgreifendes Gericht eintrat, dessen Folgen lange Zeit in Kraft bleiben würden. In der Zeit Nebukadnezars sollten siebzig Jahre für die Verwüstung Jerusalems vollendet werden „bis die Zeiten der Nationen erfüllt“ wären (Lk 21, 24). Unter solchen Umständen konnten keine Gläubigen an dem Ort zurückbleiben, wo das Gericht so endgültig war, sondern es mußten alle Gläubigen diesen Ort verlassen. Aber in der Zukunft wird das anders sein. Auch dann wird wirklich eine Belagerung stattfinden (und zwar durch den Assyrer), und auch diese Belagerung wird ein Gericht Gottes über das gottlose Volk sein, aber das wird lediglich eine sehr kurze Zeit dauern. Wenn der Assyrer nämlich kurz danach aufs neue Jerusalem einkreisen wird, dann wird der Herr Jesus ihn vernichten, und Er wird Je­rusalem befreien, d. h. den Überrest in dieser Stadt. Es handelt sich also nicht um ein Gericht über einen längeren Zeitraum, sondern um einen kurzen Augen­blick der Drangsal, um die Gottlosen zu töten und den Überrest zu läutern und zu befreien. Und was noch wichtiger ist: Noch vor dem Kommen des Herrn auf die Erde wird gerade dieser Überrest in der Regierung Gottes als ein Gegengewicht gegen das ver­nichtende Wirken des Assyrers gebraucht werden; er ist ein wichtiges Werkzeug in der Hand Gottes, um schließlich auch den Assyrer selbst zu seinem Ende zu bringen.

Vielleicht fragt jemand: Warum muß dann der Überrest aus Judäa fliehen? Möglicherweise deshalb, weil der Einfluß und die Macht des Assyrers in den Landstrichen viel größer sein wird als in der befestigten und vertei­digten Stadt. Die Gläubigen aus Judäa sind deshalb besser in der Fremde geschützt, von wo aus sie jedoch in den letzten Tagen ebenfalls ein wichtiges Werkzeug in der Hand Gottes sein werden, um nach der Erobe­rung durch den Assyrer diesen in Palästina anzugreifen und zu vertreiben. Zwei Machtzentren also: der Über­rest als eine Macht von innen heraus, um dem Assyrer zu widerstehen, und der zurückkehrende Überrest aus Judäa als eine Macht von außen her, um dem Feind in den Rücken zu fallen. Diesen sehr kurzgefaßten Abriß wollen wir nun anhand der Schrift weiter verdeutlichen.

Besonders das Buch der Offenbarung macht uns einige allgemeine Angaben über den Überrest, der in Jerusalem zurückbleibt. In Kapitel 11 werden wir in die „zweiundvierzig Monate“ oder auch „tausend zweihun­dertsechzig Tage“ der letzten halben Jahrwoche ver­setzt. Einige haben angenommen, daß es sich hier um die erste halbe Jahrwoche handle (so auch anfänglich Bruder Darby, der jedoch später seine Meinung geän­dert hat), aber das erscheint uns nicht richtig. Denn nirgends in den Prophezeiungen wird diese Zeitspanne als zweiundvierzig Monate oder tausend zweihundert­sechzig Tage oder drei und eine halbe „Zeit“ beschrie­ben; immer haben diese Ausdrücke Bezug auf die letzte halbe Jahrwoche; wir hätten dann hier eine son­derbare Ausnahme. Siehe dazu Dan 7, 25; 12, 7; (vgl. 9, 27; 12, 11. 12) Offb 11, 2. 3; 12, 6. 14; 13, 5. In den Stellen in Daniel folgt der Ausdruck „das Ende“; also müssen sie sich auf die letzte halbe Woche beziehen; die Stellen in Offenbarung 12 haben ebenfalls deutlich Bezug auf die letzten dreieinhalb Jahre, was aus einem Vergleich mit Matthäus 24, 15‑22 und Daniel 9, 26. 27 deutlich wird; ebenso Offb 13, 5 vgl. Dan 7, 25 und 9, 27. Sollte dann Offenbarung 11, 2. 3 hierin eine Ausnahme bilden? Dazu kommt noch ein wichtiges Argument. Diese dreieinhalb Jahre sind die einzige genaue Zeit­angabe, die wir von der Endzeit haben, und das ist auch verständlich, wenn wir bedenken, daß gerade dies die Zeitspanne ist, in der Gott nicht mehr in Seiner Vorsehung, sondern unmittelbar mit dem Volk Israel handelt, während gleichzeitig auch ein unmittelbares Wirken Satans erfolgt. Das ist zur gleichen Zeit auch die Periode, in der das Römische Reich sich als das sa­tanische Tier und der Antichrist sich als der Sohn des Verderbens offenbart, während andererseits dies zu­gleich der Zeitraum ist, in dem Gott Seine Zuchtrute zu dem Volk sendet, nämlich den Assyrer, und es ist drittens die Zeit, in der der Überrest durch Drangsal geläutert wird. Es ist also deutlich, daß der Glaube, der die Prophezeiungen kennt, nur noch auf diese drei­einhalb Jahre wartet, die zum Ende und zu dem neuen Anfang führen werden. Der Glaube anerkennt, daß die ersten dreieinhalb Jahre längst erfüllt sind in den drei­einhalb Jahren, die der Herr Jesus auf der Erde wandelte, an deren Ende der Messias ausgerottet wurde (Dan 9, 26. 27). Nur das gottlose Volk, das den Mes­sias verworfen hat, muß auch die ersten dreieinhalb Jahre noch einmal durchmachen, und das wird gesche­hen, wenn sie für sieben Jahre ein Bündnis mit dem römischen Staatsoberhaupt schließen. Aber diese er­sten dreieinhalb Jahre erkennt Gott nicht als einen Teil Seiner unmittelbaren Taten auf der Erde an, und des­halb wird dieser Zeitabschnitt nicht näher bezeichnet, also auch nicht in Offenbarung 11. Ziehen wir beispiels­weise Kapitel 12 zum Vergleich heran; dort haben wir im Blick auf die lange Geschichte Israels keine einzige Zeitangabe vor Anbruch der letzten halben Jahrwoche.

In Kapitel 11 sehen wir in Vers 1 zuallererst die gläubi­gen Juden, die während der ersten halben Woche (ohne Zeitangabe) im Tempel anbeten, den Gott dann noch als Seinen Tempel anerkennt. Danach wird jedoch der Tempelvorhof und die gesamte Stadt den Nationen übergeben, und zwar für zweiundvierzig Monate. Wir wissen (und werden sehen), daß es der Assyrer mit sei­nen Bundesgenossen ist, der die Stadt während der letzten halben Woche erobert. Dementsprechend finden wir den Überrest bezeichnet, der sich in diesem Zeitraum in der heiligen Stadt befinden wird, und war in zwei Zeugen. Es ist offensichtlich, daß diese beiden Zeugen nicht den gesamten Überrest darstellen, denn wir lesen, daß sie nach den dreieinhalb Jahren getötet werden und nach dreieinhalb Tagen auferstehen, und das wird sicherlich nicht mit dem gesamten Überrest geschehen; andererseits ist es auch nicht sicher, daß es buchstäblich zwei Personen sind, die zu dem Überrest gehören. Von diesen beiden Zeugen lesen wir, daß sie Gewalt haben, zu weissagen vor dem Angesicht des Herrn der ganzen Erde (das ist Gott in einer anerkann­ten Verbindung mit der Erde; vgl. Jos 3, 11 und Offb 11, 13). Feuer aus ihrem Mund verzehrt ihre Feinde. Sie haben die Kennzeichen der beiden Gesalbten in Sacharja 4, 1‑14 und von Mose und Elias. Am Schluß ihres Zeugnisses werden sie von dem römischen Staats­oberhaupt getötet; ihre Leichname liegen dreieinhalb Tage in den Straßen Jerusalems, danach werden sie auf­erstehen und während eines schweren Erdbebens zum Himmel fahren.

Was den in Jerusalem zurückgebliebenen Überrest be­trifft: In mehr allgemeinem Sinn lehrt uns das Buch der Offenbarung, daß viele der Treuen im Land während der letzten halben Jahrwoche getötet werden. Das sind die „Brüder, die den Toten hinzugefügt werden, die vor den letzten dreieinhalb Jahren umgekommen sind (6, 11). Viele Gläubige werden in dieser Zeit getötet werden, weil sie sich weigern, das Bild anzubeten, das der Antichrist errichtet hat (13, 15); hierzu gehören auch viele aus den Nationen. Wenn es auch so scheint, als wären diese Menschen besiegt, so zeugt doch der Heilige Geist von ihnen: „Glückselig die Toten, die im Herrn sterben, von nun an! Ja, spricht der Geist, auf daß sie ruhen von ihren Arbeiten, denn ihre Werke fol­gen ihnen nach“ (14, 13). Diese empfangen Lohn nach ihren Werken (22, 12), die Ungläubigen jedoch werden nach ihren Werken gerichtet werden (20, 13). Die Treuen haben teil an dem „Glückselig“, das siebenmal in diesem Buch ausgesprochen wird (1, 3; 14, 13; 16, 15; 19, 9; 20, 6; 22, 7. 14).