3. Die Bildung des Überrestes
Ein Überrest in Zion
Nach diesen mehr politisch orientierten Ereignissen kommen wir nun zu einem sehr wichtigen Thema, nämlich der Bildung eines gläubigen „Überrestes“ inmitten des gottlosen Volkes. Bei allen prophetischen Ereignissen, die stattfinden werden, richtet der Geist Gottes unsere Aufmerksamkeit auf die kleine, schwache und unterdrückte Gruppe Juden, die sich inmitten dieses Verfalls zu dem Herrn bekehren wird. Diese Treuen sind bei der Unterdrückung und Angst der Gegenstand des Erbarmens Gottes. Und wenn sie schließlich durch die Gerichte Gottes hindurchgegangen sind, werden sie in den Segen des Friedensreiches eingehen, und Gott wird aus ihnen das neue Israel bilden. Wir wollen nun untersuchen, wie dieser Überrest entsteht und was mit ihm geschieht, bevor die letzte halbe Jahrwoche anbricht. Als Anleitung dazu nehmen wir die soeben angeführte Geschichte aus 2. Könige 18 und 19, die uns den Kampf des Königreiches Juda gegen den eingefallenen König von Assur schildert. Diese ganze Geschichte ist ein Vorbild von dem zukünftigen Kampf Judas gegen Assur, und das ist übrigens auch der Grund, weshalb wir dieselbe Geschichte ebenfalls in Jesaja 36‑39 finden, wo sie mithin einen Teil der Prophezeiungen ausmacht. In dieser Geschichte finden wir im Vorbild, daß es in der Endzeit einen Überrest geben wird, vornehmlich in Jerusalem. Er wird durch den Eifer Jahwes entstehen und zu großer Herrlichkeit kommen, wenn der Assyrer umgekommen ist: „Denn von Jerusalem wird ein Überrest ausgehen, und ein Entronnenes vom Berge Zion. Der Eifer Jahwes wird solches tun!“ (2. Kön 19, 31; Jes 37, 32). In Jesaja 10 wird dieser Überrest ebenfalls in Verbindung mit dem Fall des Assyrers gesehen. Ab Vers 5 wird dargelegt, daß der Assyrer, der die Rute des Zornes Gottes war, um das Volk zu züchtigen, sich gegen Gott erhob und deshalb auch selbst zugrunde gehen wird. „Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk an dem Berge Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich heimsuchen die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien“ (Vers 12). ‑ “ . . . Und es wird geschehen an jenem Tage, da wird der Überrest Israels und das Entronnene des Hauses Jakob sich nicht mehr stützen auf den, der es schlägt; sondern es wird sich stützen auf Jahwe, den Heiligen Israels, in Wahrheit. Der Überrest wird umkehren, der Überrest Jakobs zu dem starken Gott. Denn wenn auch dein Volk, Israel, wie der Sand des Meeres wäre, nur ein Überrest davon wird umkehren. Vertilgung ist festbeschlossen, sie bringt einherflutend Gerechtigkeit. Denn der Herr, Jahwe der Heerscharen, vollführt Vernichtung und Festbeschlossenes inmitten der ganzen Erde. Darum spricht der Herr, Jahwe der Heerscharen, also: Fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur . . . Denn noch um ein gar Kleines, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung“ (Verse 20‑25). Es wird also ein Überrest gebildet werden, der auch hier wieder besonders in Verbindung mit Zion gesehen wird.
Er wird bis zum Ende der Jahrwoche gelernt haben, inmitten der Unterdrückung seitens Assurs auf Gott zu vertrauen. Vernichtung und Festbeschlossenes (vgl. Dan 9, 26. 27) werden auf die Gottlosen des Volkes Israel und auf den Assyrer ausgegossen werden; aber der Überrest wird errettet werden, wenn die Zeit des Zornes zu Ende ist (vgl. Dan 8, 19; 11, 36).
Die Verbindung des Überrestes mit Jerusalem sehen wir auch in Psalm 107, über den wir bereits gesprochen haben. Es sind vor allem die Treuen unter den Juden, die der Geist Gottes dort vor Augen hat. In Vers 30 lesen wir, wie sie aus den Völkermassen in den ersehnten Hafen gebracht werden, und in Vers 36 steht, daß Gott die Hungrigen in dem Land wohnen läßt, das aus einer Wüste zu einem Wasserteich geworden ist; in diesem Land errichten sie eine Wohnstadt, und das ist Jerusalem.
Die Maskilim
Wie wird nun genau dieser Überrest gebildet werden? Im Buch Daniel finden wir, daß seine Bildung durch eine Gruppe besonderer Gottesmänner, „Maskilim“ genannt, beginnen wird. „Maskilim“ bedeutet „Verständige“ oder „Lehrer“. Dieses Kennzeichen, „Verstand“ oder „Einsicht“ zu besitzen, wie wir das insbesondere auch bei Daniel selbst finden (1, 4. 17; 5, 11. 12. 14), schließt in sich, daß diese Männer Einsicht in die Gedanken und Wege Gottes bekommen werden. Gerade in dieser Zeit des großen Verfalls wird Gott nach solchen Männern Ausschau halten (Ps 14, 2; 53, 2; 94, 8) und zu dem Volk sprechen: “ . . . sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, daß ich Jahwe bin, der Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht Jahwe“ (Jer 9, 24). Der Herr Jesus selbst wird durch diese „Einsicht“ gekennzeichnet, sowohl bei seinem Umherwandeln auf der Erde (Jes 52, 13), als auch in Zukunft im Friedensreich (Jer 23, 5). Und genauso werden in Zukunft auch unter dem Volk Israel solche Menschen gefunden werden, von denen gesagt werden kann: „Die Furcht Jahwes ist der Weisheit Anfang; gute Einsicht haben alle, die sie ausüben“ (Ps 111, 10; vgl. Spr 1, 1‑7).
Diese „Verständigen“ werden nicht in erster Linie versuchen, den gottlosen Zustand des Volkes zu verbessern, denn „darum schweigt der Einsichtige in dieser Zeit, denn es ist eine böse Zeit“ (Amos 5, 13). Sie werden vielmehr Zeugen Gottes sein, und ihn unter dem Volk predigen und dadurch „die Vielen zur Gerechtigkeit weisen“ (Dan 12, 3), das will sagen, daß eine große Menge durch ihre Predigt zum Glauben an Gott kommen wird. Oder, wie Daniel 11, 32b. 33 es ausdrückt: „Das Volk, welches seinen Gott kennt, wird sich stark erweisen und handeln. Und die Verständigen des Volkes werden die Vielen unterweisen.“ Durch die Verkündigung der Maskilim werden viele sich „reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen werden gottlos handeln; und keine der Gottlosen werden es verstehen, die Verständigen aber werden es verstehen“ (Dan 12, 10). Inmitten des gottlosen Volkes wird Jahwe auf diese Treuen achten, die Seinen Namen fürchten, und sie in ein Gedenkbuch schreiben, damit sie verschont werden (Mal 3, 16. 17).
Verstand und Einsicht in die Wege Gottes und in Sein Wort werden diesen Überrest kennzeichnen. Vor allem in Psalm 119 finden wir ihr Zeugnis. Durch die Erleuchtung des Geistes Gottes können sie dort sogar sagen: „Verständiger bin ich als alle meine Lehrer, denn deine Zeugnisse sind mein Sinnen. Mehr Einsicht habe ich als die Alten, denn deine Vorschriften habe ich bewahrt“ (Verse 99 und 100). Bevor diese Treuen im Land waren, gehörten sie auch noch zu den Ungläubigen, aber nun haben sie Gott kennengelernt. „Bevor ich gedemütigt ward, irrte ich; jetzt aber bewahre ich dein Wort . . . Es ist gut für mich, daß ich gedemütigt ward, damit ich deine Satzungen lernte“ (Verse 67 und 71). Vor allem in den Drangsalen, die sie durchmachen müssen, werden sie lernen, auf Gott zu vertrauen. „Ich bin umhergeirrt wie ein verlorenes Schaf; suche deinen Knecht! denn ich habe deine Gebote nicht vergessen“ (Vers 176).
Und so könnten wir diesen ganzen Psalm zitieren, der so lehrreich und ausführlich über die Treue des Überrestes inmitten der Drangsale spricht. Deutlich ist jedenfalls, daß das Wort Gottes von den Treuen Jahwes wieder untersucht und bewahrt werden wird. Sie werden die Verkündigung Jahwes annehmen, bevor Sein Zorn ausgegossen wird, und sie werden Recht wirken, Gerechtigkeit und Demut suchen (Zeph 2, 1‑3).
Die Versiegelung der Knechte Gottes
Bevor die große Drangsal über dieses Volk kommt, trifft Gott Vorsorge, um Seinen Überrest von vornherein vor den herannahenden Gerichten zu schützen. Das finden wir in Offenbarung 7. Gott sendet einen Engel (das ist Christus; vgl. 8, 3; 10, 1), der das Siegel des lebendigen Gottes hat. Mit diesem Siegel werden die Knechte Gottes an ihren Stirnen versiegelt, bevor die Gerichte beginnen (vgl. Hes 9, 4). Hierdurch macht Gott diese Israeliten zu Seinem unverlierbaren Eigentum. Beachte, daß es aus jedem Stamm zwölftausend sind, und nicht nur aus den beiden Stämmen; auch diejenigen aus den zehn Stämmen, die erst nach der Wiederkunft zurückkehren und errettet werden, werden hier schon versiegelt. Wenn sie auch noch verschollen sind und noch im „Staube der Erde schlafen“ (Dan 12, 2), sieht Gott sie doch und versiegelt seine Auserwählten. Vorläufig sind sie noch unsichtbar, aber nach der Errichtung des Friedensreiches wird Er sie von den vier Ecken der Erde versammeln (vgl. Mt 24, 31).
Bei der Aufzählung der Stämme werden Manasse und Joseph nebeneinander genannt, obwohl Manasse eigentlich zu Joseph gehört. Offensichtlich steht Joseph für Ephraim, und wahrscheinlich wird hier der Name Ephraim verschwiegen, weil dieser Name an die schrecklichen Sünden des Zehnstämmereiches erinnert (siehe vor allem das Buch Hosea). Auch wird der Stamm Dan gar nicht genannt; das heißt nicht, daß es keine Daniter im Friedensreich geben wird; wir wissen das nämlich positiv aus Hesekiel 48, 1. 2. 32. Viele vermuten, daß der Name dieses Stammes in Offenbarung 7 weggelassen ist, weil aus diesem Stamm der Antichrist hervorkommen könnte. Das ist zwar eine Vermutung, doch sie ist nicht ganz unbegründet. In der prophetischen Geschichte Israels, wie sie uns in 1. Mose 49 in dem Segen der Söhne Jakobs vorgestellt wird, ist Dan deutlich das Vorbild des Antichristen: „Dan wird sein Volk richten [Dan bedeutet „Richter“], wie einer der Stämme Israels. Dan wird eine Schlange sein am Wege, eine Hornotter am Pfade, die da beißt in die Fersen des Rosses, und rücklings fällt sein Reiter.“ Deshalb sagt Jakob sofort danach (und in ihm der Überrest der Zukunft): „Auf deine Rettung harre ich, Jahwe!“ (l. Mo 49, 16‑18). Ein anderes Argument ist, daß es gerade die Daniter waren, die als erste öffentlich den Namen Jahwes gelästert haben (3. Mo 24, 11) und die als erster der Stämme öffentlich den Götzendienst eingeführt haben (Richter 18), ja, deren Stadt Dan ein Zentrum der Abgötterei wurde (1. Kön 12, 29. 30). Nun, Lästerung und Abgötterei sind die großen Kennzeichen des Antichristen (Dan 11, 36‑39; Offb 13, 11‑17).
Wir kehren zu unserem Thema zurück. Aus jedem Stamm wird eine Anzahl versiegelt, die Knechte Gottes, Seine Auserwählten. Das heißt nicht von selbst, daß sie auch bis zur Wiederkunft auf der Erde bleiben; denn wir werden sehen, daß viele von diesem Überrest getötet werden; aber das bedeutet wohl, daß der Tod keine Macht mehr über sie hat; sie werden nämlich zu Beginn des Friedensreiches auferstehen und mit Christus tausend Jahre herrschen (Offb 20, 4). Ja, sie werden mit ihren himmlischen Auferstehungsleibern sogar größere Herrlichkeit besitzen als diejenigen, die ohne zu sterben ins Friedensreich eingehen. Es ist eine Frage, ob wir bei der Zahl 144000 an eine wörtliche Zahl denken müssen. In jedem Fall wird es für Gott eine Fülle von Auserwählten sein, die Er aus jedem Stamm retten wird. Diese Zahl darf nicht mit den 144000 in Offenbarung 14 verwechselt werden, die durch die große Drangsal gegangen sind und ausschließlich aus den beiden Stämmen Juda und Benjamin sind.
Tempeldienst und Predigen
Wir wollen nun der weiteren Geschichte derer nachgehen, die in Israel zur Bekehrung gekommen sind. Wir haben gesehen, daß dieser Überrest sich vor allem in Jerusalem konzentrieren wird. In dieser Stadt werden sie einen Tempel haben (Offb 11, 1). Das kann ein bestehendes Gebäude sein oder ein Tempel, den sie bauen, vielleicht sogar auf dem ursprünglichen Platz, auf dem heute noch die Omar‑Moschee steht. Wie es auch sein mag, es wird ein Gebäude sein, das Gott in dieser Zeit als Seinen Tempel anerkennt, wo wieder ein Altar stehen wird und wo Seine Treuen anbeten werden. Diesen Platz wird Gott als einen heiligen Platz anerkennen, an dem heilige Anbeter Ihm nahen. Wo dieser heilige Platz ist, spricht er sogar von einer heiligen Stadt (Vers 2). Was jedoch um den Tempel herumliegt, der Vorhof, das erkennt Gott nicht an; das wird der Bereich sein, in dem das gottlose Volk wohnt, verbunden mit den Völkern, die über sie herrschen werden und die die heilige Stadt während der letzten halben Jahrwoche zertreten.
Der treue Überrest wird zwar sein Zentrum in Jerusalem haben, aber sie werden dort nicht fortwährend bleiben. Nein, sie werden ausgehen, um ihren Glauben zu ihren Volksgenossen und zu allen Völkern auf der Erde hinauszutragen. Was ist ihr Glaube? Sie haben aufs neue gelernt, auf das zu vertrauen, was Gott in Seinem Wort gesagt hat. Sie werden auf die sehr nahe Ankunft des Messias warten, der ja den Prophezeiungen zufolge auf der Erde erscheinen wird , um das Königreich zu errichten. Genauso wie Johannes der Täufer das tat, werden auch sie ausgehen, um die Herzen der Menschen für die Ankunft des Messias vorzubereiten, damit viele mit ihnen das Friedensreich erwarten und sich von ihrem sündigen Wandel bekehren und in Buße ihre Augen auf den Heiligen Israels richten. Im Matthäusevangelium finden wir bekanntlich den Herrn Jesus als den König Israels vorgestellt, der zu Seinem Volk kommt, um das Friedensreich anzukündigen. Sein Vorläufer Johannes predigte: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen“ (3, 2), und auch der Herr Jesus Selbst predigte diese Botschaft (4, 17); Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk (4, 23). In den Kapiteln 5‑7 legt Er die Grundsätze dar, auf die das Reich gegründet sein wird, und Er zeigt, wer an diesem Reich teilhaben wird. In den Kapiteln 8 und 9 wird diese Predigt der Grundsätze durch die Zeichen des Reiches bekräftigt. Es ist deshalb zu erwarten, daß wir gerade in diesem Buch eine deutliche vorbildliche Darstellung von dem Predigen des Reiches finden, wie die treuen Juden das in der Endzeit tun werden. In der Tat sind die Jünger des Herrn durch dieses ganze Evangelium hin ein Vorbild des zukünftigen Überrestes. In den Kapiteln 5‑7 richtet Er Sich ausschließlich an sie (Kap. 5, 1. 2), belehrt sie, wie sie sich in der Endzeit ihren Feinden gegenüber verhalten müssen; aber Er beginnt Seine Predigt damit, die glückselig zu nennen, die inmitten dieser Drangsale treu sein werden.
Dann sehen wir, wie der Herr Jesus mit dem Predigen des Evangeliums des Reiches fortfährt und durch alle Städte und Dörfer zieht (9, 35). Genauso werden die treuen Juden in der Zukunft schon vor der großen Drangsal ausgehen und das Evangelium des Reiches predigen, aber dann nicht nur in Israel, sondern auf der ganzen Erde, zu einem Zeugnis für alle Völker, bis das Ende gekommen ist (Mt 24, 14; siehe ab Vers 3). Im Vorbild sehen wir das in den Kapiteln 9 und 10. Der Herr geht umher und predigt das Reich; doch die Ernte ist sehr groß, und der Arbeiter sind wenige (9, 37). Deshalb sendet der Herr in Kapitel 10 auch Seine Jünger aus. Auch sie gehen aus, um das Evangelium des Reiches zu predigen, so wie sie das in der Zukunft tun werden. Auch damals waren die Israeliten wie Schafe, die keinen Hirten haben, und das wird auch in Zukunft der Fall sein (Sach 10, 2; 11, 16. 17; Hes 34, 6‑10; vgl. 4. Mo 27, 17; 1. Kön 22, 17; 2. Chron 18, 16; Ps 119, 176). Dann gehen die Jünger aus, und ihr Dienst ist so sehr mit dem des Überrestes in der Zukunft verbunden, daß die Worte, die der Herr an sie richtet, nur dann verstanden werden können, wenn wir an diesen Überrest denken; vor allem in den Versen 16‑23. Sie würden an Synedrien überliefert werden, vor Statthalter und Könige geführt werden, um Seinetwillen und zu einem Zeugnis für diese Könige, ja, für alle Völker. Der Geist ihres Vaters würde sie begleiten. Und dann lesen wir wörtlich von der Endzeit: „Es wird aber der Bruder den Bruder zum Tode überliefern, und der Vater das Kind; und die Kinder werden sich erheben wider die Eltern und sie zum Tode bringen. Und ihr werdet von allen gehaßt werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, dieser wird errettet werden. Wenn sie euch aber verfolgen in dieser Stadt, so fliehet in die andere; denn wahrlich, ich sage euch, ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen sein wird!“ Hier wird geradewegs auf die Wiederkunft des Herrn für Sein Volk hingewiesen. Wenn Er zurückkommt, werden die treuen Juden nicht einmal Zeit gehabt haben, in allen Städten das Evangelium zu predigen, so groß und so schwierig wird ihr Werk sein. In vieler Hinsicht ähnelt diese Beschreibung der in Kapitel 24, vor allem ab Vers 9, die dann endet mit: „Wer aber ausharrt bis ans Ende, dieser wird errettet werden. Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.“
Der Sendungsauftrag von Matthäus 28
Den letzten Hinweis auf das zukünftige Predigen des Überrestes an alle Völker finden wir in Kapitel 28 ab Vers 16. Man denkt häufig, daß wir hier den Auftrag an die Versammlung haben, das Evangelium der Gnade Gottes in Christus allen Völkern zu verkündigen, aber darum kann es hier unmöglich gehen. Der Herr spricht hier zu den Jüngern, die stets Vorbilder des Überrestes sind, und zwar auf dem Berg in Galiläa, dem Ort der Verwerfung und Verachtung. Aus Galiläa stammten Seine Jünger, verachtete Juden aus einem verachteten Landstrich, die die Seite eines verworfenen Messias gewählt hatten (und verworfen ist der Herr in diesem Evangelium in der Tat). Und diese Szene findet auf dem Berg statt, der in Matthäus immer in Verbindung mit dem Reich steht, wie wir bereits früher gesehen haben (siehe 5, 1; 15, 29; 17, 1).
Welcher Teil dieser Szene hat denn Bezug auf die Versammlung? Es ist deutlich, daß wir die Versammlung hier nicht suchen dürfen, denn was geschieht weiter?
Die Jünger sehen den Herrn und huldigen Ihm; Sie anerkennen Ihn als den König. Und der Herr nimmt diesen Titel auch an, denn Er betont Seine königliche Würde: „Mir ist alle Gewalt [oder: Recht, Autorität] gegeben im Himmel und auf Erden. Gehet nun hin“. Achte auf das „nun“, das sich nämlich auf das Vorhergehende bezieht. Die Jünger mußten ausgehen und Ihn als König der ganzen Erde predigen. In Matthäus finden wir nicht die Himmelfahrt, sondern den Herrn auf der Erde als den irdischen König; und wir finden den Überrest, der diesen irdischen König predigt. Das ist nicht der Auftrag der Versammlung.
Sodann: „Gehet nun hin und machet alle Nationen zu Jüngern.“ Das ist bestimmt kein christlicher Auftrag! Es ist zwar wahr, daß zu Beginn der Versammlung die Predigt der Zwölf tatsächlich den Charakter des Evangeliums des Reiches hatte (siehe den Anfang der Apostelgeschichte), aber nachdem Paulus das Geheimnis von der Versammlung als dem Leib Christi geoffenbart worden war, der verbunden ist mit einem himmlischen, verherrlichten Haupt, bekam das Evangelium einen anderen Charakter.
Das Evangelium in unserer Zeit besteht nicht darin, Völker zu Jüngern zu machen, sondern die Jünger Christi aus den Völkern abzusondern zu einem neuen, abgesonderten Volk. Gott hat die Nationen heimgesucht, „um aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen“ (Apg 15, 14; siehe auch Titus 2, 14; 1. Petr 2, 9. 10). Völkern zu Jüngern zu machen ist dagegen ein Gedanke, der vollkommen in den Rahmen des Reiches paßt. Ja, im Friedensreich werden die Völker als Völker gesegnet werden (siehe u. a. Jes 25, 6. 7; 42, 6; 49, 6. 7; 56, 7; 60, 3; 62, 2. 10; Jer 3, 17; 4, 2; 33, 9; Micha 4, 14; 7, 16. 17; Zeph 3, 10. 20; Sach 8, 20. 23; 14, 16‑19; vgl. Mt 25, 31‑46; Offb 20, 8). Wer in der Endzeit von den Völkern zur Bekehrung kommt, wird weiter zu den Völkern gehören ‑ erst auf der neuen Erde wird es keine Völker mehr geben, sondern nur „Menschen“ (Offb 21, 3); wer sich aber in unserer Zeit bekehrt, gehört ‑ genau genommen ‑ nicht mehr zu den Völkern, sondern zu dem Volk (vgl. die Unterscheidung in 1. Kor 10, 32).
Deshalb ist auch der Schluß von Matthäus 28 so wichtig: „Und so taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Wer sind diese „sie“? Um das zu verstehen, müssen wir wissen, daß im Griechischen hier wörtlich steht: „Zu‑Jüngern‑machet alle Nationen [Völker], sie taufend“; das Hauptwort „Jünger“ kommt also nicht darin vor, so daß „sie“ sich direkt auf Völker bezieht. Die treuen Juden werden ausgehen, um die Völker zu „Jüngern‑zu‑machen“ und zu taufen, das heißt, sie werden versuchen, alle Völker auf die Ankunft des Königs vorzubereiten, der über die ganze Erde Gewalt hat (Vers 18) und der über alle Völker regieren wird. Sie versuchen, die Völker zur Bekehrung zu bringen, damit sie den Messias würdig empfangen, und sie taufen sie, nicht nur, weil sie ihre Sünden bekannt haben, sondern vor allem im Blick auf die baldige Ankunft des Messias. Christlich ist es, ein Volk aus den Völkern abzusondern; jüdisch ist es, alle Völker zu Jüngern zu machen und sie zu taufen (daß sich nicht alle Völker bekehren werden, ist eine andere Sache, das ändert aber diesen Grundsatz nicht). Es ist eine Taufe, die mit der Taufe des Johannes vergleichbar ist, mit dem großen Unterschied, daß sich die Taufe des Johannes auf Israel beschränkte. Das Ziel ist aber dasselbe: Menschen zur Bekehrung aufzurufen im Blick auf den kommenden König und das Reich und sie als solche zu taufen, indem sie ihre Sünden bekennen (3, 1‑12). Die Taufe geschieht übrigens immer im Blick auf das, was vor uns liegt, nicht im Blick auf das, was hinter uns liegt. Diese Juden werden getauft, nicht weil sie ihre Sünden bekennen, sondern damit sie bereit sind, den Messias zu empfangen, indem sie ihre Sünden bekennen. Als Christen werden wir nicht getauft, weil wir zum Glauben gekommen sind, sondern damit wir in Neuheit des Lebens wandeln (Röm 6,4), damit wir durch die Taufe unter die Autorität Christi kommen (Apg 2, 38; 8,12; 19, 5), damit wir Christus anziehen (Gal 3, 27), damit wir errettet werden, nämlich für die Erde (Mk 16, 16; 1, Petr 3, 21; vgl. Apg 2, 41. 47) usw. Genauso werden in der Zukunft viele getauft werden, damit sie bereit sind, den Messias zu empfangen und damit sie die Gebote des Messias bewahren (Mt 28, 20); das sind in Matthäus die Grundsätze des Reiches (Kap. 5‑7).
Schließlich noch: Der Herr würde bei Seinen Jüngern sein bis zur Vollendung des Zeitalters. Auch hier können die Jünger nichts anderes sein als ein Vorbild des zukünftigen Überrestes, denn sie selbst sind nicht bis zum Ende dieser Haushaltung auf der Erde geblieben. Der Überrest darf jedoch auf die Nähe Christi rechnen, bis die Haushaltung abgelaufen ist, das heißt, bis Er persönlich wiederkommt und das Friedensreich errichtet (vgl. 10, 22; 24, 13). Die Verheißung an die Versammlung hat einen völlig anderen Charakter: Wir haben die Verheißung in Vers 20 nicht nötig, denn vor der Vollendung des Zeitalters ist die Versammlung schon in den Himmel aufgenommen. Für uns gilt: und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein“ (l. Thess 4, 17).
Der Glaube des Überrestes
Wir ersehen hieraus also, daß es in der Endzeit gläubige Juden geben wird, die ausgehen, um zu verkündigen, daß der Messias und Sein Königreich nahe sind. Sie werden in allen Städten und Dörfern Israels predigen, aber damit nicht zu Ende kommen. Andere werden über die ganze Welt ausgehen und überall die Völker aufrufen, sich zu bekehren und Seine Gebote zu halten. Viele werden ihr Wort annehmen und auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft werden. Diese Taufformel verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Es ist nämlich auffallend, daß wir diese Taufformel nirgends in der Apostelgeschichte finden; immer finden wir „auf“ (2, 38; 8, 16; 19, 5) oder „in dem Namen des Herrn“ (10, 48); und anderswo „auf Christum“ (Röm 6, 3; Gal 3, 27) oder „auf seinen Tod“ (Röm 6, 3). Die Taufe auf den dreieinigen Gott jedoch finden wir nur in Matthäus 28, und das hat eine ganz besondere Bedeutung, gerade für die Endzeit. Die Jünger haben das verstanden und haben nicht den Auftrag von Matthäus 28 ausgeführt, sondern den von Lukas 24, 47. Dort finden wir den christlichen Auftrag. Dort wird der Herr als der verherrlichte Herr im Himmel (nach der Himmelfahrt) vorgestellt, dort werden nicht die Gebote Christi allen Völkern gepredigt, sondern „Buße und Vergebung der Sünden . . . allen Nationen, anfangend von Jerusalem.“ Das haben die Jünger getan; der Auftrag von Matthäus 28 steht noch aus bis zur Endzeit. Dann wird der Herr den Überrest als Seine Brüder anerkennen (Vers 10; vgl. 25, 40); dann werden sie nicht in Jerusalem anfangen, das dann den Völkern übergeben ist (23, 37‑39; Lk 21, 24), sondern ausgehen bis zu den Enden der Erde, um Gott als den Vater (in dem Sinn von „Schöpfer“; 5. Mo 32, 6; Jes 64, 8; Mal 2, 10) zu verkünden, um Jesus als den Messias, den Sohn Gottes (im Sinn von Ps 2, 7; Lk 1, 35) zu predigen, und das alles in der Kraft des Heiligen Geistes (obwohl dieser nicht in ihnen wohnt).
Tatsächlich wird ein Überrest aus den Juden nach der Aufnahme der Versammlung Jesus als ihren Messias anerkennen und Ihn predigen. Ja, von ihnen steht geschrieben, daß sie den Glauben Jesu bewahren (Offb 14, 12), das bedeutet, daß sie Ihn als den Gegenstand ihres Glaubens kennen. Wir lesen auch, daß sie das Zeugnis Jesu haben (Offb 12, 17; 20, 4). Und was ist das? „Der Geist der Weissagung ist das Zeugnis Jesu“ (19, 10), das bedeutet, daß der Geist, der in den Propheten wirksam ist, Jesus ist, der Sein Zeugnis gibt (es war der Geist Christi, der in ihnen war und zuvor zeugte; 1. Petr 1, 11). Auch die Offenbarung ist Prophetie und gehört zu dem Zeugnis, das Jesus von Gott empfangen und Seinem Knecht Johannes gegeben hat (1, 1‑3; vgl. 22, 18. 19). Und diese prophetischen Worte, die Jesus in dem Geist durch Seine Propheten und durch Johannes bezeugt hat, wird der Überrest besitzen und kennen. Sie werden Gott kennen als Den, der auf Seinem Thron sitzt und bereit ist, die Gerichte über diese Erde zu senden. Und sie werden Christus als den Sohn des Menschen kennen, der einmal verworfen war, aber nun mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist, der bereit steht, die Herrschaft anzutreten. Dieser Glaube des Überrestes wird in Psalm 8 ausgedrückt, in dem sie mit dem verworfenen, aber verherrlichten Sohn des Menschen verbunden sind. Sie bekennen aber nicht nur den Glauben an Jahwe, sondern auch den Glauben an Jesus als den Messias. Was sie jedoch nicht wissen werden, ist, daß Jesus der Messias, Jahwe Selbst ist. Das werden sie erst erkennen, wenn erfüllt wird, was Jahwe Selbst gesprochen hat: „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben“ (Sach 12, 10). Es ist also auch klar, daß sie an den typisch christlichen Wahrheiten kein Teil haben: Sie kennen Gott als den Vater des Herrn Jesus, aber nicht als ihren Vater in Christo; sie kennen Jesus als den Sohn Gottes und als Messias, aber nicht in Seiner erhabenen Beziehung zur Versammlung: als Haupt des Leibes und als den Bräutigam Seiner Braut; dieses Vorrecht ist lediglich für uns bestimmt, die wir in der gegenwärtigen Haushaltung zum Glauben gekommen sind.
„Der Anfang der Wehen“
Wenn wir uns weiter in das Schicksal dieses Überrestes vor der letzten halben Jahrwoche Daniels vertiefen, dann werden wir feststellen, daß sie auch schon in dieser Zeit keine geringen Verfolgungen zu erdulden haben, ja, daß viele von ihnen dann bereits getötet werden, und zwar in der Periode, die der Herr lediglich als den „Anfang der Wehen“ bezeichnet (Mt 24, 8). Wenn Sie ausgehen, um das Reich der Himmel im eigenen Land zu predigen, dann wird man sie von einer Stadt zur anderen verfolgen, aber sie werden keine Furcht kennen, denn ihre Feinde können lediglich den Leib töten, aber die Seele ist bei Gott geborgen. Sie werden in ihrem Dienst treu sein, indem sie an das Wort des Herrn denken, das besonders ihnen gilt: „Ein jeder nun, der mich vor den Menschen bekennen wird, den werde auch ich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist“ (Mt 10, 7. 23. 28. 32. 33). Die falschen Christi, die aufstehen werden, die Kriege und Gerüchte über Kriege, Hungersnöte, Seuchen und Erdbeben werden für sie zu Zeichen sein, daß das Ende nahe ist (Mt 24, 3‑8). Sie werden überliefert werden, um bedrängt und getötet zu werden, und sie werden von allen Völkern um des Namens ihres Herrn willen gehaßt werden (Mt 24, 9. 10). Das ist die Periode, in der die Maskilim unter dem Volk die Vielen zur Einsicht bringen, aber sie werden eine Zeitlang fallen durch Schwert, Flamme, Gefangenschaft und Raub. Einige unter den Maskilim werden fallen, um die vielen zu läutern und zu reinigen und weiß zu machen bis zur Zeit des Endes (Dan 11, 33. 35).
Diese Verfolgungen halten an bis zum Ende der Jahrwoche; Daniel 7 gibt uns ein Bild dieser ganzen Periode, wenn „das kleine Horn“, das aus dem vierten Tier hervorkommt (das ist das erste Tier in Offenbarung 13, das römische Staatsoberhaupt), mit der Masse des jüdischen Volkes ein Bündnis für sieben Jahre geschlossen hat, sich jedoch, gestützt durch den Antichristen, gegen die „Heiligen der höchsten Örter“ richten wird (Verse 18. 21. 22. 25). Daß das jüdische Gläubige sein werden, wenigstens in erster Linie, ist aus Vers 27 ersichtlich, wo „das Volk der Heiligen der höchsten Örter“ zu Beginn des Friedensreiches zu dem mächtigsten unter den Völkern gemacht wird. Die Heiligen in diesem Volk sind in besonderer Weise mit dem Himmel verbunden ‑ deshalb der Ausdruck „die höchsten Örter“ ‑, weil sie an ein himmlisches Reich glauben und an einen Messias, der aus dem Himmel wiederkommt, und vor allem, weil sie als himmlische Heilige mit Christus im Friedensreich regieren werden (Offb 20, 4. 6). Diese Heiligen wird das Tier bedrängen und töten (Dan 7, 21. 25). Viele werden bis ans Ende ausharren, und wenn das gottlose Volk durch die Gerichte Gottes ausgerottet ist, bleiben diese Heiligen übrig (Sach 13, 8. 9), und ihre Brüder, die getötet sind, werden auferstehen, und sie werden zusammen das „Volk der Heiligen“ bilden, das ist „ganz Israel“, das wahre Israel in den Augen Gottes (Röm 11, 26).
Märtyrer vor der letzten halben Jahrwoche
Die Treuen, die vor der letzten halben Jahrwoche getötet werden, finden wir besonders auch in der Offenbarung. In Kapitel 6 werden die Ereignisse beschrieben, die mit dem Öffnen der ersten sechs Siegel in Verbindung stehen; diese Ereignisse sind noch keine direkten Gerichte, sondern warnende, welterschütternde Dinge, die in der Vorsehung stattfinden, sei es durch politische Umwälzungen, sei es durch Naturkatastrophen. Das ist also „der Anfang der Wehen“ (Mt 24, 8) vor der letzten halben Woche, die in Matthäus 24, 15 und in Offenbarung 8, 13 beginnt, wo die drei großen Wehe der Endzeit angekündigt werden (vgl. 9, 1; 11, 2; 12, 6). Wir lesen in Offenbarung 6, 9, daß in dieser Periode, während das fünfte Siegel geöffnet wird, Seelen unter dem Altar gesehen werden. Das sind Seelen von Menschen, die wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie hatten, geschlachtet worden waren. Das können natürlich keine christlichen Märtyrer sein, weil die gesamte Versammlung schon ab Kapitel 4, 4 im Bild der Ältesten in verherrlichtem Zustand im Himmel gesehen wird. Zudem ist auch deutlich, daß es keine Christen sind, weil sie Gott um Rache an ihren Feinden bitten, und das ist ja gerade nicht christlich, wohl aber in Übereinstimmung mit dem Alten Testament, mit dem Judentum. Es müssen Menschen sein, (wahrscheinlich Juden, zumindest größtenteils), die wegen ihres Zeugnisses getötet worden sind ‑ nicht verherrlichte Heilige, sondern Seelen ‑ und die nun im Geist des Alten Testaments um Rache bitten. Ihre Gebete und die Gebete ihrer Brüder auf der Erde werden von den Gläubigen im Himmel (5, 8) und von Christus (8, 3. 4) Gott dargebracht. Nach ihrem Ruf um Rache wird ihnen ein weißes Kleid gegeben und gesagt, daß sie noch eine kurze Zeit ruhen sollten, bis ihre Mitknechte und ihre Brüder, die wie sie getötet werden würden, vollzählig wären.
Wir können also deutlich zwei Gruppen von Märtyrern unterscheiden: Die erste Gruppe ist in der ersten halben Woche umgekommen und wird hier unter dem Altar gesehen; die zweite Gruppe wird innerhalb kurzer Zeit getötet werden, also während der zweiten halben Woche. Danach wird die Anzahl der Märtyrer vollständig sein. Diese Gestorbenen werden zu Beginn des Tausendjährigen Reiches auferstehen (20, 4). Wir finden die erste Gruppe Märtyrer, die vor der letzten halben Woche umkommen, auch in Offenbarung 12, 10. 11. In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie der Teufel aus dem Himmel auf die Erde geworfen wird, und wir werden im weiteren Verlauf noch sehen, daß dieses Ereignis die letzte halbe Jahrwoche einleitet. Weiter sehen wir in Vers 10, daß der Satan, wenn er hinabgeworfen ist, nicht länger der „Verkläger der Brüder“ sein wird, weil er nicht länger in die Nähe Gottes kommen kann, um sie zu verklagen. Und wer sind diese Brüder? Das sind die, die ihn überwunden haben um des Blutes des Lammes und um des Wortes ihres Zeugnisses willen, ja, die ihr Leben nicht geliebt haben bis zum Tod. Es sind also die Gläubigen, die nach der Aufnahme der Versammlung und bevor der Teufel auf die Erde geworfen wird, auf der Erde sein und zeugen werden. Die Kraft dazu finden sie im Blut des Lammes, und sie werden dadurch wirklich Überwinder sein, obwohl sie scheinbar Verlierer sind, da sie umgebracht werden. In der Offenbarung sind die gläubigen Überwinder stets die, die wegen ihres Zeugnisses gestorben sind, aber gerade darin den Sieg erlangt haben, weil sie auferstehen und mit Christus tausend Jahre herrschen (12, 11; 15, 2; vgl. 2, 7. 11. 17. 26; 3, 5. 12. 21; 5, 5; 20, 4; 21, 6. 7).
Das erste Psalmbuch
Nun bleibt noch ein umfangreicher Punkt übrig, der in diesem Zusammenhang unsere Aufmerksamkeit verdient. Ein nicht zu unterschätzender Teil des gesamten prophetischen Zeugnisses der Heiligen Schrift ist nämlich das Buch der Psalmen. Ein näheres Studium zeigt, daß nicht nur einige Psalmen sehr deutliche messianische Psalmen sind, wie die Psalmen 2; 16; 22; 45; 69; usw., sondern daß alle Psalmen, besonders auch in ihrem fortlaufenden Zusammenhang betrachtet, über Christus sprechen, dann aber nicht gesehen als Haupt Seiner Versammlung, sondern verbunden mit dem treuen Überrest aus den Juden in der Zukunft, in Übereinstimmung mit dem Charakter des Alten Testaments. Wir sehen Ihn in Seiner Verherrlichung und Seinem Königtum, aber auch hauptsächlich in Seinem Leiden, nicht nur in Seinem sühnenden Leiden und Seinem Sterben, sondern vor allem auch in Seinem Leiden von seiten der Menschen, in dem Leiden um der Gerechtigkeit willen. Die Psalmen unterteilen sich, wie bekannt, in fünf Bücher: Das erste Buch (Ps 1‑41) schildert den Überrest, wenn er noch im Land ist, nämlich vor der letzten halben Jahrwoche (also das Thema, mit dem wir uns jetzt beschäftigen), während er noch mit dem Tempel und mit Jerusalem verbunden ist und Jahwe noch als solcher angerufen wird und noch in Verbindung mit dem Volk steht. Das erste Buch behandelt also (nicht in historischer, sondern in sittlicher Weise) die erste halbe Jahrwoche, und da diese Periode Übereinstimmungen mit den dreieinhalb Jahren des Dienstes Christi zeigt, ist auch das ein wichtiges Thema im ersten Buch.
Im zweiten Buch (Ps 42‑72) sind die Treuen aus dem Land vertrieben, und lediglich ein kleiner Überrest ist in Jerusalem zurückgeblieben; es ist nicht mehr Jahwe, der angerufen wird, sondern im allgemeinen ist es Gott.
Im dritten Buch (Ps 73‑89) geht es nicht mehr allein um die Juden, sondern um ganz Israel, alle zwölf Stämme; ihre ganze Geschichte, vom Beginn an, wird behandelt.
Das vierte Buch (Ps 90‑106) bezieht auch die Völker, ja, alle Geschöpfe, mit ein in die Ereignisse und führt Christus ein, gesehen in der Herrlichkeit Seines Wiederkommens und in allen Phasen Seines Kommens.
Das fünfte Buch (Ps 107‑150) führt das Tausendjährige Reich ein und gibt zugleich eine Übersicht über alle Wege, die zu dem Endziel geführt haben; es endet in einer Reihe von Lobpreisen.
Unser Thema führt uns nun zum ersten Psalmbuch, von dem wir natürlich nur eine äußerst knappe Übersicht geben können, und nur im Zusammenhang mit unserem Thema. Das erste Buch kann man in drei Teile unterteilen: Die Psalmen 1‑8 schildern die Salbung des Königs, Seine Verwerfung und Erniedrigung und schließlich Seine Königsherrschaft als Sohn des Menschen; verbunden mit Ihm wird der Überrest gesehen, dem dieselbe Erniedrigung und Verwerfung zuteil werden wird. Die Psalmen 1 und 2 stellen die beiden großen Grundsätze des ganzen Buches vor: erstens die Treue und den Gehorsam Christi und des Überrestes und zweitens den Sohn Gottes, der zum König in Zion gesalbt wird. Aber sowohl die Treuen als auch der König werden verworfen, und deshalb finden wir in den Psalmen 3‑7 die Übungen des Glaubens in diesem Zustand der Verwerfung; dabei wird das Auge auf Jerusalem und den Tempel gerichtet (3, 4; 4, 6; 5, 7). In Psalm 8 sind Christus alle Dinge unterworfen, und Er wird in Seiner Verwerfung als Sohn des Menschen gesehen.
Im zweiten Teil des ersten Psalmbuches (Ps 9‑15) sehen wir den Überrest in seinem Verhältnis zu Gott, zu dem Feind und zu den Gottlosen des Volkes. Psalm 9 sieht im Glauben auf den Allerhöchsten, das ist Gott, wie man Ihn im Friedensreich kennen wird. Im Gegensatz dazu spricht Psalm 10 über „den Gottlosen“. Das ist in den Psalmen ein typischer Ausdruck, der sich vor allem auf den Menschen der Sünde, den Gesetzlosen (2. Thess 2, 3. 8) bezieht, das ist der Antichrist. Die Psalmen 11‑13 sprechen über das Vertrauen auf Gott, wenn auch nur wenige Treue übriggeblieben sind; wir finden in diesen Psalmen auch die Verfolgung durch den Feind. Diese Drangsal hält an bis zum Friedensreich, wenn „der Tor“ (der Antichrist) abgeschnitten wird (Ps 14) und der Überrest in Sicherheit wohnen wird (Ps 15).
Der dritte Teil (Ps 16‑41) spricht über Christus, in Dem alles Heil zu finden ist und geoffenbart werden wird. Die Psalmen 16‑24 nennen die großen Grundsätze hiervon; die Psalmen 16‑18 die Grundsätze des wahren, göttlichen Lebens (Psalm 16 spricht im besonderen über Christus als den vollkommenen, gehorsamen Knecht); in den Psalmen 19‑21 sehen wir den Glauben, der auf Gottes Zeugnisse (Schöpfung und Gesetz) vertraut und auf die Erlösung durch den verheißenen Messias (bzw. Gebet und Danklied für den König); das führt uns direkt zu den Psalmen 22‑24, in denen wir Christus am Kreuz sehen und die Folgen Seines sühnenden Leidens: Lobgesang in der Versammlung, Bewahrung eines Überrestes (23) und letztlich die Herrschaft (24). Der folgende Unterabschnitt vom 3. Teil des ersten Psalmbuches (Ps 25‑39) ist das große Zeugnis des Überrestes, immer in Verbindung mit dem Tempel. Der Überrest drückt hier seinen Glauben an die endgültige Rettung aus, weil die Grundlage dazu auf dem Kreuz gelegt worden ist. Die Psalmen 25‑29 enthalten die Grundlage für dieses Vertrauen, von der Seite des Menschen aus gesehen: Anerkennung der Schuld (25), untadeliger Wandel (26), Anbetung (27), und von Gottes Seite: Sein Schutz und Seine Allmacht (28 und 29). Die Psalmen 30‑34 sind die Folge davon: der Lobgesang für die Erlösung und die Vergebung und Gottes Unterweisung und Seine Führung (vor allem 32). Als Gegenstück zu der Erlösung des Überrestes finden wir Gottes Gericht in Gerechtigkeit über die Gottlosen. Diese Gegenüberstellung behandeln die Psalmen 35‑39. Da sehen wir den Untergang der Feinde, vor allem den des „Gottlosen“. Die Sanftmütigen erben das Land (vor allem 37) nach der Drangsal (38 und 39). Zum Schluß werfen die Psalmen 40 und 41 einen Blick zurück auf den Weg, auf dem die Gnade Gottes erwiesen wird: Christus, der Sich Selbst ohne Flecken durch den ewigen Geist Gott geopfert hat (Hebr 9, 14). Dadurch kann der Überrest das Heil empfangen. Dieses Psalmbuch endet mit einem allgemeinen Lobgesang.