2. Die Wiederherstellung der Jüdischen Nation


Wenn in der Endzeit die Ereignisse stattfinden, von de­nen in den Prophezeiungen die Rede ist, finden wir das Volk als eine wiederhergestellte jüdische Nation wieder im Land. Auch die „BIS“‑Prophezeiungen im Alten und im Neuen Testament setzen voraus, daß das Volk nach der dritten großen Gefangenschaft wieder im Land ist. Das ist zum Beispiel in Daniel 9 der Fall, in welchem Kapitel wir in Vers 26 die Verwüstung der Stadt Jerusalem und des Tempels finden und die über­strömende Flut. Doch in Vers 27 ist mit einem Mal wieder ein Volk im Land (das sind die „Vielen“), das einen Bund mit den Römern schließt und offensichtlich auch den Tempeldienst ausübt. Wir finden also einerseits in den Prophezeiungen die Verwüstung der Stadt und die Zerstreuung der Juden unter die Na­tionen, andererseits aber in der Endzeit, bevor die Endereignisse beginnen, ein wiederhergestelltes Volk in einer wiederhergestellten Stadt. Die Frage ist nun, auf welche Weise und unter welchen Umständen diese vor­bereitende Wiederherstellung der jüdischen Nation stattfinden wird. Wir können auch sagen: stattgefunden hat, denn wir wissen, daß diese Wiederherstellung in der gegenwärtigen Zeit durch die Errichtung des jü­dischen Staates im Jahr 1948 inzwischen zustande ge­kommen ist. Wir sind jedoch in dieser Studie in erster Linie daran interessiert, zu erfahren, was die Schrift uns hierüber zu sagen hat. Wir werden also die jüng­sten Ereignisse größtenteils außer Betracht lassen, soweit sie nicht schon in der Bibel vorausgesagt sind.

Das Ausschlagen der Bäume

Wann soll nach der Bibel die Wiedererrichtung des jü­dischen Staates stattfinden? Der Herr sagt: „Sehet den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie schon ausschla­gen, so erkennt ihr von selbst, indem ihr es sehet, daß der Sommer schon nahe ist. So auch ihr, wenn ihr dieses geschehen sehet, erkennet, daß das Reich Gottes nahe ist“ (Lk 21, 29‑31). Das „Ausschlagen“ des Feigenbaums (Israel) geschieht gleichzeitig mit dem Ausschlagen alter Bäume; das Wiederaufleben des schlafenden Baumstam­mes Israel geht einher mit einer allgemeinen heftigen Unruhe unter den Völkern: viele neue Staaten, die jahr­hundertelang geschlummert haben, erwachen wieder zum Leben (vor allem im Mittleren Osten), um die Rolle zu spielen, die ihnen von der Prophetie zugedacht ist: Syrien, Ägypten, Philistäa (Gazastreifen, die Palästinen­ser), Ammon, Moab (Jordanien) und Edom (Saudi‑Ara­bien?) (vgl. Jer 12, 14. 15). Gleichzeitig schlagen auch an­dere „Bäume“ aus: Das frühere Römische Reich beginnt wieder aufzuleben, wenn auch in einer anderen Form, mehr als ein Staatenbund, wie das von den Propheten (Daniel, Johannes) vorhergesagt worden ist. Es ist die Endform des uralten „Baumes“, den wir bereits in Daniel 4 in der Person Nebukadnezars finden. Weiter ist da der gewaltige „Baum“ Assur, die große endzeitliche Macht des Nordens, die in Hesekiel 31 beschrieben wird, und schließlich die Christenheit, die als ein Senfkorn begann, als das kleinste aller Samenkörner, die aber in der End­zeit zu einem gewaltigen Baum aufwächst (Mt 13, 31. 32). Die große Entwicklung all dieser Bäume leitet die End­zeit ein und ist das unfehlbare Zeichen für das Aus­schlagen des Feigenbaumes: die Wiederherstellung des jüdischen Staates.

Rückkehr im Unglauben

Wie wird diese Wiederherstellung stattfinden? Wir sehen eine Übereinstimmung mit früheren Malen, wenn das Volk zum Land Kanaan heraufzog, um dort eine Wohnstätte zu finden. Psalm 107 gibt uns eine Übersicht über die Wege Gottes mit Seinem Volk bezüg­lich der Erlösung und Wiederherstellung. Alles deutet auf eine große Erlösung der Treuen des Volkes in der Endzeit hin, doch dieser Psalm gibt im Vorbild alle Wege Gottes wieder. Als erstes haben wir da nach dem Auszug aus Ägypten den Durchzug durch die Wüste und den Weg nach Kanaan, der schließlich in der „Wohnstadt“ en­det, das ist Jerusalem, wo der Tempel erbaut wird (vgl. 2 Mose 15, vor allem die Verse 13 und 17). Dann fin­den wir in Vers 10 die Rückkehr aus Babel, wo das Volk in Elend und Eisen war (vgl. Ps 137; Jes 45, 2), weil sie sich gegen Gott empört hatten. Dann wird ab Vers 17 über die dritte Gruppe gesprochen: die Sünder, zu denen das Wort Gottes (Christus) gesandt wird, durch das sie geheilt und erlöst werden; sie werden in die Versammlung eingeführt und opfern Jahwe Lob­opfer. Zum Schluß sind da die Juden, die sich mit Schiffen aufs Meer begeben. Das sind also die, die unter die Nati­onen zerstreut sind (vgl. Jes 17, 12; Offb 17, 15). Dann wird uns dargelegt, was das Los der Treuen unter ihnen sein wird: in großem Elend, das ihnen von seiten der Nationen zuteil wird, rufen sie zu Jahwe, der sie zur Ruhe bringt und sie in den ersehnten Hafen einführt (Palästina).

Doch ab Vers 33 wird beschrieben, auf welch einem schwierigen Weg sie endlich den Segen im Land errei­chen. Zuerst sehen wir dort den Zustand, in den Gott andere Länder bringt wegen der Bosheit ihrer Bewoh­ner; möglicherweise sind dies die Länder des christ­lichen Zeugnisses, deren Wohlstand abnehmen wird. Die Verse 33 und 34 weisen vielleicht auch auf den Zustand hin, in dem das Land sich seit dem Jahre 70 n. Chr. bis vor kurzem befunden hat. Die Wüste wird in einen Wasserteich verwandelt und das dürre Land in Wasserquellen; unter der Leitung Gottes kom­men Hungrige, um daselbst zu wohnen, um eine Wohn­stadt zu gründen: Jerusalem (Vers 36). Sie besäen Felder und pflanzen Weinberge, und durch den Segen Gottes mehren sie sich. Aber wird hier von Glauben und wirklicher Erlösung gesprochen? Es ist eine äußer­liche Wiederherstellung im Land, zwar im Segen, doch der Segen ist äußerlich, ohne eine völlige Herzensände­rung. Darum bringt Gott über diese Menschen, die in Frieden und Wohlstand in ihrem Land wohnen, eine große Angst, und dadurch kommen viele „Arme und Aufrichtige“ ans Licht, die Gott beschützen wird. Der Vers 43 enthält einen sehr wichtigen Grundsatz. Der wirklich Weise ist der, der nicht nur die Segnungen genießt, sondern der auch beachtet, daß diese Segnun­gen von Jahwe sind. Das muß Bekehrung bewirken , und das geschieht in der Drangsal, wenn der Segen wieder weggenommen wird (vgl. Hosea 14, 9). Es wird uns also hier in kurzen Worten gezeigt, daß es sich zuerst um eine äußerliche Wiederherstellung des Volkes im Lande handelt, wobei auch Jerusalem wiederherge­stellt wird, doch ohne Veränderung des Herzens. Erst in der Drangsal werden die wahren Gläubigen offen­bar. Sie sind es, die dann auch herausgerettet werden. Davon spricht der Psalmist in Psalm 119, 67: „Bevor ich gedemütigt ward, irrte ich; jetzt aber bewahre ich dein Wort.“ Das wird der gläubige Israelit im Tausend­jährigen Reich sagen. Wir werden später auf Psalm 107 zurückkommen, wenn wir die dort kurz angedeuteten Hauptlinien anhand anderer Schriftstellen ausführlich untersucht haben.

Es findet also eine Rückkehr des Volkes und eine Wiederherstellung der Nation statt, anfänglich jedoch im Unglauben. Das sehen wir auch in dem bekannten Abschnitt Hesekiel 37, in dem das Tal der verdorrten Totengebeine beschrieben wird, eine symbolische Dar­stellung der Wiederherstellung Israels in der Endzeit. Wir sehen hierin deutlich, daß diese Wiederherstellung in zwei verschiedenen Phasen erfolgt: Wenn der Pro­phet darüber zu prophezeien beginnt, tritt die erste Phase ein: die verdorrten Totengebeine rücken zusam­men und werden mit Sehnen, Fleisch und Haut über­zogen. Aber es ist noch kein Odem in ihnen. Die Erklärung dafür wird in Vers 12 genannt: Das Volk Israel kommt aus seinen Gräbern hervor und wird in sein Land zurückgebracht. Das ist die Errichtung des Staates Israel im Jahre 1948, nämlich ein Zusammen­fügen der Gebeine, ohne daß jedoch Odem in ihnen ist. Die Herzen der Israelis sind noch nicht von dem Geist Gottes erfüllt. Dann jedoch muß der Prophet aufs neue prophezeien, und danach beginnt die zweite Phase der Wiederherstellung: Es kommt Geist in sie, wodurch sie zu neuem Leben erwachen und auf ihren Füßen stehen, wie Vers 14 sagt: Gottes Geist wird ihnen gegeben werden, so daß sie leben und (nach der Drangsal) einen festen Wohnort in ihrem Land bekom­men. Auch hier finden wir wieder, daß das anerkannt wird, was Jahwe getan hat. Das ist die geistliche Wiederherstellung, die, wie wir auch weiterhin noch sehen werden, erst nach der großen Drangsal stattfindet.

Eine dritte Schriftstelle, die uns zeigt, daß die natio­nale Wiederherstellung im Unglauben der geistlichen Wiederherstellung vorausgeht, finden wir in Jesaja 18. Hier spricht der Prophet von einem Volk, das „weithin geschleppt und gerupft ist“, und von einem Volk, „wunderbar, seitdem es ist und hinfort, der Nation von Vorschrift auf Vorschrift [oder Maß; das bedeutet: gemessen durch die Gerichte Gottes], und von Zer­tretung, deren Land Ströme beraubt haben.“ Das ist das Volk Israel, verstreut unter die Nationen, seines Landes und Besitzes beraubt, ein gefürchtetes und wunderbares Volk, das jetzt schon Jahrhunderte auf seine Wiederherstellung wartet, nachdem das Gericht Gottes über dieses Volk ergangen ist, als das Land ver­wüstet wurde. Aber siehe da, es kommt ein Augen­blick, in dem es das Panier auf den Bergen errichtet und in die Posaune stoßen wird. Alle Bewohner der Welt werden es sehen und hören und bestürzt da­stehen. Israel wird das Land wieder in Besitz nehmen. Dabei wird ihm ein Land jenseits der Ströme Äthi­opiens (Nil und Euphrat) helfen, also ein fernes Land, außerhalb des gewöhnlichen prophetischen Gesichts­kreises Israels. Meines Erachtens ist dieses „Land“ Westeuropa (vielleicht in Verbindung mit Amerika), wie ich später zu zeigen hoffe.

Auf welche Weise findet nun diese nationale Wiederher­stellung statt? Das Panier wird auf den Bergen errich­tet, aber hier steht nicht, daß Gott das tut. Das Volk tut es in eigener Kraft. Und was muß Gott dazu sagen?

Er sagt zu dem Propheten: „Ich will still sein und will zuschauen in meiner Wohnstätte, wie heitere Wärme bei Sonnenschein, wie Taugewölk in der Ernte Glut“ (Jes 18, 4). Gott hält Sich zurück und läßt sie begin­nen. Er greift nicht ein, weil Er in diesem zurückge­kehrten Volk den Überrest sieht, der einmal gebildet wird, und das wird geschehen „wie heitere Wärme bei Sonnenschein“ und „wie Taugewölk bei der Ernte Glut“. Bevor dieser Überrest in den Segen und die Ruhe eingehen wird, bevor die Ernte stattfindet, bei der der Weizen in die Scheunen gesammelt wird, muß das Gericht über das ungläubige Volk kommen: Sie werden abgeschnitten und ausgerottet, eine Beute der Raubvögel (Offb 14, 18‑20; 19, 15. 17. 18). Das Volk ist in sein Land zurückgekehrt und hat den Staat Israel errichtet. Das ist gewiß eine wunderbare Erfüllung der Prophezeiungen, aber es geschieht in einem Zustand des Unglaubens, über den noch das Gericht kommen muß, um die Gottlosen auszurotten und den Überrest zu läutern. Schließlich wird jedoch der Segen kommen; dann werden die Israeliten als eine Opfergabe nach Zion gebracht werden ‑ der Überrest aus den zehn Stämmen (Zeph 3, 10; Jes 66, 20), und dann wird der Name Jahwes wieder an seinem Ort, auf dem Berg Zion, wohnen.

Die Aufnahme des Antichristen

Wir wollen nun etwas genauer die Ereignisse besehen, die dieses Volk mitmachen wird, das im Unglauben zu­rückgekehrt ist. Dabei wollen wir von vornherein deut­lich auf eine Sache hinweisen. Die Rückkehr Israels ist für uns Christen eine wichtige Warnung, daß das Kom­men des Herrn für Seine Versammlung sehr nahe bevorsteht. Denn die weiteren prophetischen Ereignisse bezüglich dieses Volkes werden größtenteils, oder sogar vollständig, stattfinden, nachdem die Versammlung auf­genommen ist. In jedem Fall bricht die letzte halbe Jahrwoche (siehe Kapitel 3) nach der Entrückung der Versammlung an, denn wir wissen, daß diese halbe Woche mit der Aufrichtung des Greuels der Verwüstung im Tempel beginnt (Dan 9, 27). 2. Thessalonicher 2 lehrt uns gerade, daß dies erst nach dem großen Abfall der Christenheit und der Offenbarung des Menschen der Sünde (des Antichristen) geschehen wird, und wir wissen, daß diese Dinge nicht stattfinden können, wenn nicht zuvor der, „welcher zurückhält“, weggenom­men ist, und das ist der Heilige Geist, der bei dem Kom­men des Herrn für die Seinen zusammen mit der Ver­sammlung in den Himmel aufgenommen wird (Verse 6 und 7; vgl. Vers 1). Erst wenn der Geist der Wahrheit weggenommen ist, kann der Geist des Irrtums sich völ­lig offenbaren (vgl. Vers 11; siehe 1. Joh 4, 6). Die Ereignisse, mit denen wir uns also jetzt beschäftigen werden, werden größtenteils oder insgesamt nach der Aufnahme der Versammlung stattfinden.

Wie bereits erwähnt, wird in der Mitte der Woche der Mensch der Sünde den Greuel der Verwüstung aufrich­ten (siehe später) und sich in seiner wahren Gestalt offenbaren. Vor dieser Zeit wird sein wahrer Charakter noch nicht ans Licht kommen. Eines der wichtigsten bevorstehenden Ereignisse in Israel wird sein, daß sie diesen Mann als Staatsoberhaupt, ja, als Messias an­nehmen werden. Der Herr Jesus hatte die gottlosen Führer Jerusalems bereits gewarnt: „Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmet mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5, 43). Den wahren Messias, der nicht Seine eigene Ehre suchte, sondern die Ehre Dessen, der Ihn gesandt hatte, hatten sie schmählich verworfen. Aber den Mann, der in seinem eigenen Namen kommen wird, ja, der von Satan selbst beseelt sein wird, den werden sie mit Freuden auf­nehmen und als Messias verehren. Dasselbe finden wir in Sacharja 11: Zuerst wird der wahre Hirte vorgestellt, dem die elenden Schafe zu Herzen gehen, der jedoch von dem Volk verworfen und überliefert wird. Danach das Gegenstück: der törichte Hirte, den Gott Selbst zu einem Gericht in das Land setzt (Verse 15‑17). Dieser wird sich nicht um die Schafe kümmern, sondern wird die, die ihn angenommen haben, verzehren und zer­reißen; er wird die Schafe verlassen, aber danach verdorren und umkommen „durch den Hauch seines Mundes“ (2. Thess 2, 8). Welch eine Stellung wird dieser Mann bekleiden! Er ist nicht nur der falsche Messias, der Ausdruck des abgefallenen Judentums, sondern auch die Verkörperung des tiefsten Abfalls der Christenheit. Ja, von ihm wird gesagt, daß er der Antichrist ist, der den Vater und den Sohn leugnet (l. Joh 2, 22b). Dieses Leugnen der erhabensten christ­lichen Wahrheit, dieser wunderbaren Verbindung des Vaters und des Sohnes, Christi, des Sohnes Gottes und Gottes, der in Seinem tiefsten Wesen als Vater geoffen­bart ist, dieses Leugnen ist der Keim des Verfalls in unserer Zeit und des Abfalls in der Endzeit. Das ist das Wesen der Namenchristen in der Endzeit, während wir das Kennzeichen dieses falschen Juden“ in 1. Johan­nes 2, 22a finden: „der da leugnet, daß Jesus der Christus ist“.

Der Charakter des Antichristen

Der Antichrist ist also ein jüdischer Christ, der sowohl vom Judentum als auch vom Christentum abfällt. Schon sein Name deutet an, daß er der große Feind Christi ist. Diesen Mann werden die Juden zu ihrem König machen. In Daniel 11 finden wir eine recht aus­führliche Beschreibung von ihm (in den Versen 36‑40). Es ist einleuchtend, daß gerade in Sacharja und Daniel ausführlich über den Antichristen gesprochen wird, weil diese Bücher ‑ zusammen mit der Offenbarung, auf die wir noch zurückkommen ‑ über die vier Welt­reiche sprechen, von denen das Römische Reich das letzte ist. Wenn wir nun davon ausgehen, daß der Anti­christ der große Freund und Bundesgenosse des Für­sten des wiederhergestellten Römischen Reiches sein wird, dann paßt der Antichrist in der Tat gerade in diese Bücher. Wie gesagt, wird er seinen wahren Cha­rakter erst in der zweiten halben Jahrwoche offenbaren (siehe später in Kapitel 3), so daß wir ihn dann näher kennenlernen. Hier jedoch, vor der zweiten halben Woche, müssen wir ihn in dem Charakter studieren, den er bis dahin hat.

Im Neuen Testament, das während der neuen Haushal­tung in Verbindung mit der Versammlung geschrieben worden ist, finden wir den Antichristen vor allem in seinem religiösen Charakter als Führer der falschen Religion, wenn auch in der Offenbarung auf seine politische Macht hingewiesen wird. Im Alten Testament jedoch, dem Buch des Volkes Israel, sehen wir deutlich seinen politischen Charakter, nämlich als König Israels (auch wenn dort bereits auf seine religiösen Züge hin­gewiesen wird). Wir nannten bereits Daniel 11, 36‑40.

Daniel 11 ist die Geschichte Syriens und Ägyptens, ge­sehen als zwei der vier Teile des früheren griechischen Reiches. Bis Vers 35 ist die Prophezeiung vollständig erfüllt, wenn auch noch eine vorbildliche Bedeutung für die Endzeit darin enthalten ist, besonders im letzten Abschnitt. Ab Vers 36 befinden wir uns aber deutlich in der Endzeit selbst, wie aus dem letzten Teil von Vers 35 und Vers 40 ersichtlich ist. Daniel schreibt, wie bereits gesagt, über die „Zeiten der Nationen“, und die Endzeit ist bei ihm die letzte Phase dieser Zeiten, also kurz vor der Wiederkunft (siehe 8, 17. 19. 26; 12, 4. 6. 9. 13). Darüber hinaus finden wir hier zwei Stichworte, die sich im besonderen auf die Zeit des Endes beziehen, nämlich die „Zeit des Zornes“ (Dan 8, 19; Jes 10, 25) und „Festbeschlossenes“ (Dan 9, 26.27; Jes 10, 22. 23; 28, 22). In diesem Abschnitt wird über „den König“ ge­schrieben, und es ist deutlich, daß dies nicht der König des Nordens oder des Südens sein kann, denn die wer­den nirgendwo in diesem Kapitel nur „der König“ ohne einen Zusatz genannt. Weiterhin sagt Daniel 11, 40, daß sowohl der König des Nordens als auch der König des Südens mit „dem König“ Krieg führen werden. Dieser König kann also kein anderer sein als der König Israels in der Endzeit; auch an anderen Stellen wird er mit diesem geheimnisvollen Namen „der König“ be­zeichnet (Jes 30, 33; 57, 9, vorbildlich in Jer 4, 9). Daß er tatsächlich kein anderer sein kann als der König Isra­els, ist auch aus seinen Kennzeichen ersichtlich:

a) „das Festbeschlossene“ bezieht sich in den Prophezeiungen immer auf Israel, vor allem auf Jerusalem,

b) er achtet nicht auf die „Sehnsucht der Weiber“; dies kann sich nur auf den Messias beziehen, dessen Mutter jede jü­dische Frau zu werden begehrte; das zeigt auch wieder seinen“ antichristlichen“ Charakter;

c) er setzt Herrscher ein über „die Vielen „, das ist in Daniel ohne Ausnahme die Masse des jüdischen Volkes (9, 27; 11, 33. 39; 12, 3);

d) er wird „das Land“ als Belohnung verteilen; was die­ses „Land“ ist, finden wir, wenn wir dasselbe hebräische Wort in 2. Mose 20, 12; 5. Mose 4, 1; Hesekiel 7, 2 usw. aufsuchen.

Dieser König Israels in der Endzeit ist der Antichrist. Das ist aus vielen Punkten ersichtlich. Erstens sieht man im Neuen Testament, daß der Antichrist im Tem­pel in Jerusalem residieren wird (2. Thess 2, 4). Weiter­hin finden wir in Daniel 11 folgende Kennzeichen des Antichristen wieder: Er handelt nach seinem Gutdün­ken; er ist der, der in seinem eigenen Namen kommt (Joh 5, 43). Er erhebt sich über jeden Gott; auch das finden wir in 2. Thessalonicher 2, 4 wieder. Er miß­achtet den Messias (Vers 37); er leugnet, daß Jesus der Christus ist (1. Joh 2, 22). Er ehrt den Gott der Fe­stungen (nach vielen Auslegern der Hauptgott der Rö­mer; Vers 38); das ist m.E. das, was wir in Offen­barung 13, 12‑16 finden: er bringt die Menschen dazu, das Bild des Hauptes des Römischen Reiches anzubeten. Er tritt auf mit Hilfe des fremden Gottes (Vers 39); dies ist, was Offenbarung 13, 12 sagt: Er übt die ganze Macht des ersten Tieres aus. Wer den fremden Gott aner­kennt, kommt zu Ehren, den macht er zum Herrscher und gibt ihm Land; so sagt Offenbarung 13, 16. 17, daß er denen, die das Bild anbeten, Handelsrechte gibt. Unversehens sind wir hiermit doch in der zweiten hal­ben Jahrwoche angekommen; das ist aber auch unver­meidlich, wenn man den Antichristen kennenlernen will. Vor dieser Zeit, wenn er den Greuelsgottesdienst noch nicht eingeführt hat, wird er sich noch wie ein wahrer Jude verhalten. Voller Begeisterung werden die Juden ihn annehmen, weil er die Machtfigur ist, die sie gerade brauchen. Genau wie heute wird auch dann die fortwährende Bedrohung von seiten der umliegenden Völker da sein, und gerade deshalb nehmen sie den Mann an, der diesen gewaltigen römischen Machtblock zu seinem Bundesgenossen gemacht hat. Obschon er ein Christ sein wird (wenn auch natürlich nur ein Namenchrist) und er vermutlich mehr in Rom als in Je­rusalem sitzen wird (siehe später), ist er doch ein Jude, der das Wohl seines Volkes im Auge hat; so erscheint es wenigstens nach außen. Ist er nicht genau der Mann, der sie gegen die drohende Gefahr beschützen wird? Zwei Schriftstellen werfen auf die hier genannten Fakten ein helleres Licht.

Das Bündnis mit dem Tod und dem Scheol

In Jesaja 55‑57 finden wir die Verkündigung des Heils an alle Treuen auf der Erde, das heißt, des Heils im Friedensreich, aber zugleich die Gerichtsankündigung für alle Feinde Gottes. Die treuen Juden werden „das Land“ erben und Zion besitzen, aber die Gottlosen werden hinweggenommen (Jes 57, 13). Wenn Jahwe ihre Sünden aufzählt, sagt er: „Und du zogest mit Öl zu dem König und machtest viel deiner wohlriechen­den Salben; und du sandtest deine Boten in die Ferne und erniedrigtest dich bis zum Scheol. Durch die Weite deines Weges bist du müde geworden, doch du sprachst nicht: Es ist umsonst! Du gewannst neue Kraft, darum bist du nicht erschlafft. Und vor wem hast du dich ge­scheut und gefürchtet, daß du gelogen hast, und mei­ner nicht gedachtest, es nicht zu Herzen nahmst? Habe ich nicht geschwiegen, und zwar seit langer Zeit?“ (Jes 57, 9‑11) Prächtige Verdeutlichung! Hier spricht Gott über die Zeit, als Er schwieg und ruhig achtgab auf die Handlungen des ungläubigen Volkes. Wir sahen schon in Jesaja 18, wie das Volk im Unglauben in das Land zurückkehrte und das Panier auf den Bergen errich­tete, während Gott Sich ruhig hielt. In diesem Abschnitt hier sehen wir, was das Volk tun wird. Sie sind besorgt und fürchten sich vor ihren Feinden ringsum, denken aber nicht daran, Gott um Hilfe zu bitten (Vers 11). Nein, sie setzen ihr Vertrauen lieber auf Menschen. Um sich zu schützen, schließen sie zwei Bündnisse: erstens kommen sie mit Öl zu „dem König“, das heißt, daß sie den Antichristen zum König salben und ihn als Messias (das ist: Gesalbter) anerkennen; sie ehren ihn mit einem Überfluß an Salben. Sie schließen aber noch ein zweites Bündnis: Sie senden Boten in ein fernes Land und finden nach ihrer weiten Reise neue Kraft, indem sie ein erniedrigendes Bündnis mit dem Scheol (Totenreich) schließen. Was bedeutet das? Was ist hier mit „Scheol“ oder „Totenreich“ gemeint? Ist es nicht das Bündnis mit dem, der die Macht des Todes hat (Hebr 2, 14), das ist der Teufel, der alte Drache, der sich auf der Erde in der Gestalt des Römischen Rei­ches offenbaren wird (Offb 12, 3; vgl. 13, 1)? Dieses „ferne Land“ (vgl. Jes 18, 1) wird der Bundesgenosse Israels werden, wie wir schon in unserer Zeit Annähe­rungsversuche zwischen Israel und Europa sehen. Israel schließt also ein Bündnis mit dem Antichristen und eines mit dem Römischen Staatsoberhaupt; diese beiden sind übrigens sehr eng verbunden, wie wir be­reits sahen und noch sehen werden (vgl. Offb 13, 11. 12; 16, 13; 19, 20). Der Antichrist wird ebenfalls ein Werkzeug Satans sein, denn er wird wie ein Drache re­den (Offb 13, 11).

in diese beiden Bündnisse wird vor allem Jerusalem, das Thema unserer Betrachtungen, einbezogen. Der Antichrist wird sich in den Tempel in Jerusalem setzen (2. Thess 2, 4). Sehr deutlich spricht hierüber ein anderer Abschnitt des Buches Jesaja, nämlich Kapitel 28, wo wir ab Vers 14 lesen: „Darum höret das Wort Jahwes, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, das in Jerusalem ist! Denn ihr sprechet: Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht: wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns gebor­gen . . . “ usw. Auch hier sehen wir wieder genau die­selben Elemente: Sie haben Furcht vor der überströmen­den Geißel, die in das Land einfallen wird, wie die Führer Jerusalems vermuten, doch sie hoffen, daß Jerusalem selbst von dieser Geißel verschont bleibt (die, wie wir später noch sehen werden, der Assyrer ist), und zwar deshalb, weil sie zwei Bündnisse geschlossen haben, die sie gegen diese Geißel beschützen sollen, nämlich mit dem Tod (das ist mit dem Antichristen, der wie der Drache, wie der Fürst des Todes spricht) und ein Bünd­nis mit dem Scheol (das ist der Ort, an dem der Tod seine Macht ausübt, der Bereich des Todes; das ist das römische Reich, mit dem der Drache sich identifizieren wird, wie wir sahen, und wo der Antichrist die Macht des ersten Tieres ausüben wird; Offb 13, 12).

Nähere Angaben über dieses Bündnis mit dem römischen Staatsoberhaupt finden wir in den bereits genannten Versen 26 und 27 in Daniel 9. In Vers 26 haben wir ge­lesen, daß das römische Volk die Heilige Stadt und den Tempel verwüstet hat (im Jahre 70 n. Chr.). Dieses selbe römische Volk würde, diesem Vers zufolge, einen Fürsten haben, der damals noch nicht da war, der aber einmal kommen würde. Und nun, in Vers 27, ist er da. Offensichtlich ist auch das Volk wieder in das Land zurückgekehrt (auf welche Weise, das haben wir an anderen Stellen gesehen), und es hat offensichtlich wie­der einen Tempel, zumindest werden Schlachtopfer und Speisopfer dargebracht. Dann steht hier, daß der römi­sche Fürst ein Bündnis mit den Vielen schließt (das ist immer die Masse des ungläubigen jüdischen Volkes), und zwar für eine Periode von sieben Jahren. Das ist die siebzigste und letzte Jahrwoche Daniels, die über das Land und die Heilige Stadt kommen wird, um die Übertretung zum Abschluß zu bringen, den Sünden ein Ende zu machen und eine ewige Gerechtigkeit einzu­führen (Vers 24). Der Rest dieses Verses macht deut­lich, daß diese sieben Jahre sich in zwei Perioden von je dreieinhalb Jahren aufteilen. Vor allem die letzten dreieinhalb Jahre bilden ein sehr wichtiges Thema in den Prophezeiungen. Diese Periode wird unterschied­lich benannt:

1) als „eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“ Dan 7, 25; 12, 7; Offb 12, 14). Daniel 7 ist in aramäisch geschrieben, und ein Vergleich mit Kapitel 4, 16 macht deutlich, daß das aramäische Wort für „Zeit“ auch „Jahr“ bedeutet. In Kapitel 12, 7 ist es he­bräisch, und da ist es dasselbe Wort wie zum Beispiel in 3. Mose 23, 2, was eine „bestimmte Zeit“ bedeutet, die Periode zwischen zwei Jahrfesten, d. i. also ein Jahr. Der Ausdruck „eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“ bedeutet also dreieinhalb Jahre. Weiterhin finden wir zweiundvierzig Monate (Offb 11, 3; 12, 6). Ver­gleiche noch Daniel 12, 11. 12, wo es um die Ereignisse geht, die dreißig bzw. fünfundsiebzig Tage nach der siebzigsten Woche noch stattfinden werden.

Assyrische Kollaborateure

Vorläufig beschränken wir uns noch auf die erste halbe Jahrwoche und die Geschehnisse, die während dieser Zeit stattfinden werden, obwohl die Schrift bei weitem nicht so ausführlich darüber spricht wie über die zweite Hälfte der „Woche“. Wir haben bis hierher gefunden, daß die Führer Jerusalems aus Angst vor einer Invasion des Assyrers, des Königs des Nordens, ein Bündnis mit dem Antichristen und dem römischen Staatsoberhaupt schließen werden. Im übrigen gibt es Hinweise in der Schrift, daß es nicht undenkbar ist, daß dieser König des Nordens versuchen wird, eine Partei unter dem jü­dischen Volk zu bilden, um dadurch seine Invasion zu erleichtern. Es wird also eine Art „Kollaborateure“ geben, die mit der feindlichen Macht paktieren wer­den, eine Anhängerschaft unter dem jüdischen Volk, die helfen sollen, ihm das Land in die Hände zu spie­len. Einige Hinweise, die wir hierzu gefunden haben, werden hier zitiert.

In Daniel 8 haben wir das Gesicht von dem Widder und dem Ziegenbock, eine Darstellung der Geschichte des medo‑persischen Reiches und des griechisch‑maze­donischen Reiches; aus diesem letzten Reich werden vier kleinere Reiche hervorkommen, und aus einem von diesen kommt ein kleiner König hervor, von dem wir wissen (aus der Beschreibung), daß es Antiochus Epiphanes gewesen ist, ein König aus dem Norden (Syrien). Aber die Verse 17, 19 und 26 belehren uns deutlich darüber, daß dieses Gesicht nicht nur eine historische Erfüllung hat, sondern auch eine wichtige Erfüllung in der Endzeit haben wird, in der Zeit des Zorns (vgl. 11, 36 und Jesaja 10, 25). Deshalb geht die Bedeutung dieses Gesichtes ab Vers 20 eigentlich weiter als das Gesicht selbst (wie wir das häufiger in der Schrift finden). Vorbildlich ist hier also die Rede von dem König des Nordens in der Endzeit, wie wir ihn ausführlich in Kapitel 11 finden. Über diesen König ist folgendes geschrieben (8, 23‑25): „Und am Ende ihres Königtums [nämlich der vier Königreiche], wenn die Frevler das Maß vollgemacht haben werden, wird ein König aufstehen, frechen Angesichts und der Ränke [oder: Schlauheiten] kundig. Und seine Macht wird stark sein, aber nicht durch seine eigene Macht; und er wird erstaunliches Verderben anrichten, und Ge­lingen haben und handeln; und er wird Starke und das Volk der Heiligen verderben. Und durch seine Klugheit wird der Trug in seiner Hand gelingen; und er wird in seinem Herzen großtun und unversehens viele verder­ben . . . “ usw. Dieser Mann wird also als ein schlauer Intellektueller vorgestellt, der in verborgene Dinge Einsicht hat, der erstaunlich handelt, der aber auch eine Quelle des Verderbens für das Volk der Heiligen (Israel) sein wird. Er wird nicht nur in das Land ein­fallen ‑ das geschieht erst gegen Ende der letzten Jahr­woche ‑, sondern er wird ebenfalls durch Schlauheit und Betrug Verderben stiften. Ohne Zweifel wird er viele durch seine schlauen Reden zu betören wissen, ohne daß sie es selbst merken: „unversehens“ (wört­lich: „in sicherer Ruhe“). Die Führer in Jerusalem werden seine Absichten erkennen und zum Schutz ihre Bündnisse mit „Tod und Scheol“ schließen, aber viele aus dem Volk werden die Schlauheiten des Assyrers nicht durchschauen. Desto größer wird ihr Entsetzen sein, wenn er plötzlich in das Land einfallen und schrecklich unter ihnen wüten wird. Dann werden sie verzweifelt ausrufen: „Siehe, ihre Helden schreien draußen, die Friedensboten weinen bitterlich. Die Stra­ßen sind verödet, der Wanderer feiert. Er hat den Bund gebrochen, die Städte verachtet, keines Men­schen geachtet!“ (Jes 33, 7. 8) Diese herbe Enttäu­schung werden die Juden erleben, wenn der „Ver­wüster“ in das Land einfällt (Jes 33, 1). Der Verwüster ist in den Prophezeiungen ein sehr geläufiger Name für den Assyrer, den König des Nordens (siehe u. a. Jes 28, 2; Jer 6, 22. 26; Dan 9, 27). Wenn der Assyrer in das Land einfällt, werden die Juden erfahren, daß sein Bündnis nur Schein und schlauer Betrug war. Und schlau ist er sicherlich; in Daniel 11 sehen wir noch besser, wie schlau er zu Werke geht. Ab Vers 35 befinden wir uns deutlich in der Endzeit, aber auch die unmittelbar vor­ausgehenden Verse weisen bereits über die historische Erfüllung hinaus und werden ihre vollständige Erfül­lung in der Zukunft finden, wie übrigens im Grundsatz auch das ganze Kapitel. Wir lesen dann in Vers 32: „Und diejenigen, welche gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch Schmeicheleien zum Abfall verlei­ten; aber das Volk, welches seinen Gott kennt, wird sich stark erweisen und handeln.“ Worin dieser Bund besteht, lesen wir in Vers 30: Der König des Nordens wird „gegen den heiligen Bund ergrimmen . . . und sein Augenmerk auf diejenigen richten, welche den hei­ligen Bund verlassen.“ Das bedeutet soviel, daß er ein Feind dieses Bundes ist, den Gott mit Seinem Volk geschlossen hat, und ein Feind derer, die treu an die­sem Bund festhalten. Er wird sein Interesse auf die­jenigen richten, die diesen Bund verlassen, ja, die gott­los gegen diesen Bund handeln. Er wird sie durch schlaue und listige Schmeicheleien zu betören suchen und sie zu vollständigem Abfall von dem lebendigen Gott bringen. Dazu lesen wir in Nahum 1, 11 über Assur: „Von dir ist ausgegangen, der Böses sann wider Jahwe, ein nichtswürdiger Ratgeber.“

So erhalten wir also folgendes Bild: Ein großer Teil der beiden Stämme (Juden) wird im Unglauben in das Land Palästina zurückkehren, wo der Staat Israel er­richtet wird. Sie werden jedoch von ihren Nachbarn bedrängt und schließen deshalb ein Bündnis mit dem Antichristen, einem Mann, der sowohl vom Judentum als auch vom Christentum abgefallen ist, und mit dem Haupt des wiederhergestellten römischen Reiches. Das werden vor allem die Führer Jerusalems tun. Der mächtigste ihrer Nachbarn jedoch, der König des Nor­dens (Syrien, vermutlich in Verbindung mit der Türkei und/oder dem Irak), wird auf raffinierte Weise seinen verderblichen Einfluß unter dem Volk ausüben und viele in seine Hand bekommen, die meinen, daß er ihr Bundesgenosse sei. Wenn er jedoch in das Land einfällt, werden sie genauso grausam behandelt wie die anderen Juden. Ein Beispiel für diese gemeine Handlungsweise finden wir viele Jahrhunderte zuvor bei einem anderen Assyrer, der dasselbe tat (2. Kön 18, 14‑17): nämlich der assyrische König Sanherib, der vorgab, Hiskia könne sich von weiteren Eroberungen durch hohen Tribut freikaufen. Als Hiskia diesen tatsächlich herbei­brachte und sogar zahllose Tempelschätze abtrat, brach Sanherib sein Wort und zog gegen Jerusalem herauf.